Samstag, 28. September 2013

Vom libanesischen Arak zum französischen Champagner

Wow...schaue ich ein Jahr zurück, dann habe ich gerade meinen ersten Monat im Libanon hinter mir. Wenn ich daran denke, wird mir irgendwie ganz komisch. Ich kann noch immer kaum glauben, dass mein Erlebnis "Libanon" erst mal vorbei ist. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich kein Bild in der Hand halte und wehmütig zurück denke. Ich ertappe mich auch ständig dabei, den Libanon mit Europa zu vergleichen. Ich muss mich dann immer selber dran erinnern, dass solche Vergleiche mich entweder nicht weiterbringen oder manchmal auch total unangebracht sind, weil jedes Land eine andere Geschichte, Bevölkerung und Kultur hat. Letztendlich hat wohl jedes Land seine Vor- und Nachteile und ein kluger Freund hat mal zu mir gesagt: "Das Problem am Reisen ist, dass man nie wieder richtig zu Hause ankommt, wenn man einmal damit angefangen hat. Denn überall wo man einmal war, lässt man ein Stück von seinem Herz zurück." Und er hatte so Recht. Im Libanon habe ich einiges an Deutschland vermisst. In Deutschland werde ich jetzt immer einige Dinge aus dem Libanon vermissen. Aber wenn wir schon beim Reisen sind... ich hatte ja versprochen, euch noch zu sagen, was ich nach dem Freiwilligendienst, also quasi jetzt, mache. Den Studienplatz in Dresden habe ich leider nicht bekommen. Aber der war mir so wichtig, dass ich mich noch einmal darum bewerben möchte und erstmal nix anderes studiere. Und als Alternative hat sich durch einen ziemlich glücklichen Zufall ein Praktikumsplatz in Frankreich ergeben. Vielleicht kennt ihr HOLTEC, die Firma, die Sägeanlagen herstellt. Und über diese Firma leiste ich das Praktikum in einer Zweigstelle  in Vitry-la-Francois, in der nordfranzösischen Region Champagne, und zwar ein Jahr lang. Am 1. Oktober ist mein erster Arbeitstag und diesen Blogeintrag schreibe ich schon von meiner ersten eigenen, französischen Wohnung aus. Mutti und Vati sind vor ein paar Tagen mit mir nach Frankreich gefahren und haben mir geholfen, die Wohnung einzurichten und alles Nötige zu organisieren. Allein hätte ich das alles gar nicht geschafft, das war echt nicht so einfach! Natürlich haben wir auch schon die Gegend erkundet. Mit dem Fahrrad sind wir um den größten französischen Stausee gefahren, zu Fuß sind wir über Weinberge spaziert und haben uns zeigen lassen, wie Champagner hergestellt wird. Verkostet haben wir natürlich auch ein bisschen ;)
Also, wer von euch in den nächsten 12 Monaten seinen Urlaub in der Champagne verbringen möchte, ist herzlich willkommen!
Das war dann jetzt aber wirklich mein allerletzter Blogeintrag! Über mein Jahr in Frankreich werde ich nicht schreiben, aber wer trotzdem wissen möchte, was ich so mache oder einfach Lust hat mir zu schreiben, hier ist meine Mailadresse: laura.kunzendorf@web.de. Ich freu mich immer über Post!
Tschüss! Ma'a-ssalame! Au revoir!

Mittwoch, 31. Juli 2013

Die letzten Bilder...

Hier noch die versprochenen Bilder der letzten Wochen :)

Beim Fastenbrechen am Freitag hatte ich nochmal einen richtig schönen Abend mit den Leuten, die mich das ganze Jahr über begleitet und in der Residence mit mir zusammen gewohnt und gearbeitet haben.





Yousuf wird mir so doll fehlen! Ich kann mir gar nicht vorstellen, ihn tagsüber nicht mehr an meiner Seit zu haben. 

Am letzten Schultag durften sich die Schüler in alle möglichen Kreaturen verwandeln und hatten jede Menge Spaß dabei ;)


Am Ende des Jahres haben Abed und ich noch einmal kräftig im Workshop gearbeitet und viele schöne Ketten fertig bekommen.

Die schönsten Momente aus dem Sommercamp:
 


Na, wer will Mohamed denn hier an den Kragen? ;)










& was kommt dann?

Aus. Ende. Vorbei. Das war also mein Jahr im Libanon, ich kann es kaum glauben aber ich bin wieder in Deutschland. Gestern Abend haben mich Mutti und Vati vom Flughafen abgeholt und als tolle Überraschung noch Jana, Schmidts und viele Luftballons mitgebracht. Vielen Dank für diesen schönen und herzlichen Empfang!
Mein letztes Wochenende war ein richtig toller Abschluss meines Auslandsjahres. Am Freitagabend wurden sämtlich Angestellte der Schule sowie Eltern und Freunde der Direktorin zum großen "Iftar" eingeladen. Das Iftar ist das tägliche Fastenbrechen am Abend jedes Ramadantages und am Freitag haben wir daraus eine richtig schöne, große Feier gemacht und wir Freiwilligen hatten Gelegenheit, uns von allen zu verabschieden. Den Samstag danach hat Siham extra freibekommen, um mit mir noch einen letzten Tag in Beirut zu verbringen. Wir waren an all unseren Lieblingsplätzen, sind am Meer entlang spaziert und haben auf dem Markt Souvenirs gekauft. Den Tag haben wir dann auf der Terrasse unter dem Sternenhimmel ausklingen lassen, und haben uns die schönsten Momente des Jahres nochmal in Erinnerung gerufen. Den Sonntag und Montag habe ich hauptsächlich mit den Schülern und Kofferpacken verbracht. Die ganze Zeit über war ich hin- und her gerissen zwischen meiner Vorfreude auf zu Hause, meine Familie und meine Freunde und meiner Traurigkeit darüber, mein neu gewonnenes zu Hause verlassen zu müssen. Als ich mich dann am Dienstag endgültig verabschieden musste, kamen einige Tränen. Aber spätestens als ich von meinen Eltern, Schmidts und Jana so lieb am Flughafen begrüßt wurde, kam die Freude zurück :)
Jetzt bin ich also wieder da und die ganze Zeit höre ich in Dauerschleife die Zeilen "Und was kommt dann? Was ist der Titel vom nächsten Kapitel?" von den Sportfreunden Stiller in meinem Ohr. Und die Frage stell ich mir tatsächlich. Was kommt jetzt? Schon seit einer ganzen Weile begeistere ich mich für den Studiengang Internationale Beziehungen in Dresden und habe mich da natürlich auch dort beworben. Aber der Studiengang ist so beliebt, dass wohl nur 5% aller Bewerber angenommen werden. Am Freitag muss ich deshalb zu einem Auswahlgespräch und einem Französisch- und Englischtest. Dieses Gespräch ist wirklich wichtig für mich und auch der Grund dafür, dass ich jetzt schon zurückgekommen bin und nicht bis Ende August im Libanon geblieben bin. Drückt mir die Daumen, dass es klappt, ja? Falls es in Dresden nichts wird, dann weiß ich ehrlich gesagt auch noch nicht, was ich mache. Ich habe zwar viele interessante Pläne B, aber sooo sehr wie das Studienfach Internationale Beziehungen begeistern die mich alle nicht. Sobald ich Bescheid weiß, wie ich das nächste Jahr verbringe, lasse ich es Euch aber wissen.
Zum Abschluss würde ich ja gern noch ein paar abschließende Worte über mein Auslandsjahr schreiben, aber wie soll man auch ein ganzes Jahr in ein paar kurzen Sätzen zusammenfassen? Ich glaube, wenn ihr ab und zu in meinen Blog geschaut habt, dann habt ihr ganz gut miterlebt, wie es mir ergangen ist. Ich bin auf jeden Fall froh und unendlich dankabr, dass ich die Chance hatte, so ein aufregendes Jahr zu erleben und würde es sofort wieder machen!
Gerade fühle ich mich noch ein bisschen so, als wäre nur mein Körper hier in Deutschland angekommen und mein Kopf und Herz würden noch im Libanon sein. Aber ich werd' mich schon wieder einleben ;)
Am Ende geht noch ein großes Dankeschön an alle, die mich dieses Jahr so toll unterstützt haben!

Dienstag, 16. Juli 2013

Der Schmetterling

„Essen, essen und noch mehr essen. Das machen Raupen den lieben, langen Tag. Bis sie irgendwann dick und kräftig genug sind und sich verpuppen. Dann nehmen sie während des ganzen Puppenstadiums überhaupt keine Nahrung mehr zu sich, sie „fasten“ praktisch. Manchmal dauert das nur eine Woche, manchmal aber auch bis zu vier. Und am Ende, wenn die Phase des Essens und die der Verpuppung vorbei sind, schlüpft ein schöner, eleganter Schmetterling aus dem Kokon und breitet langsam seine Flügel aus, um davon zu fliegen.“
Diese Worte folgten auf meine Frage „Und warum genau fastet ihr Muslime jetzt eigentlich, mal abgesehen davon, dass der Koran es vorschreibt?“, die ich einem guten Kollegen vor einer Weile gestellt habe. Und sie haben mich ganz schön zum Nachdenken angeregt. Am letzten Dienstag hat hier nämlich der Ramadan, der Fastenmonat der Muslime, begonnen. Das heißt, dass 30 Tage lang Muslime in aller Welt von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang weder essen, noch trinken, noch rauchen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr alle schon davon gehört habt. Auf jeden Fall habe ich mich dazu entschlossen, mitzufasten. Erst wollte ich ja eigentlich nur so ein, zwei Tage lang probieren, ob ich genug Willen und Disziplin habe, um es durchzuhalten. Mittlerweile ist schon eine Woche daraus geworden und ich möchte unbedingt weiter machen. Am ersten Fastentag habe ich noch mit ungestilltem Appetit und Durst gekämpft, aber beides war schon am zweiten Tag überhaupt kein Problem mehr. Es ist nämlich gar nicht so schwer, wie ich es mir vorgestellt habe. Das Einzige, was wirklich nervt, ist, dass ich langsam merke, wie ich meinen Elan und meine Energie verliere. Ich brauche mehr Schlaf als vorher und habe ständig das Gefühl, mich kurz ausruhen zu müssen.
Im Libanon beginnt das Fasten jeden Tag so um ca. 4 Uhr morgens. Viele stehen deshalb um 3 Uhr nachts auf, um noch schnell etwas Kleines zu essen, zu trinken oder zu beten. Bei mir gewinnt jede Nacht auf’s Neue die Müdigkeit und ich trinke nur schnell ein Glas Wasser, was immer griffbereit neben dem Bett steht. Abends um  ca. 20.15 wird dann das Fasten gebrochen, traditionell mit einer Dattel. Das ist der mit Abstand tollste Moment des Tages. Schon früh morgens wenn ich aufstehe, freue ich mich darauf. Wenn wir so kurz nach 20 Uhr mit unserer Arbeit fertig sind, beginnt in der Küche und auf der Terrasse schon ein reges Treiben. Alle helfen mit, das Essen in das gute Geschirr, was sonst nur zu besonderen Anlässen genutzt wird, einzufüllen; den Tisch zu decken; Saft einzufüllen und alles schön herzurichten. Aber sobald das erste „Allahuakbar“ („Gott ist groß“) ertönt, welches das Abendgebet einläutet, wird es langsam ruhig. Jeder dankt im Stillen für das gegebene Essen und bricht das Fasten mit einer Dattel. Danach gibt es immer einen Teller Suppe, bevor wir uns über leckere, typisch libanesische Speisen hermachen. Normalerweise reicht mir schon ein Teller und ich bin pappe satt. Außerdem muss immer ein bisschen Platz für das Obst, das Dessert und meinen geliebten arabischen Kaffee im Magen bleiben, welche am späten Abend noch folgen. Bevor es dann irgendwann nach einem Abend voller guter Gespräche und leckerem Essens ins Bett geht, stehen erst alle nochmal in der Küche vor dem Wasserspender Schlange. Schließlich ist es wichtig, aufzupassen, genügend zu trinken, sonst kann man sich am nächsten Fastentag auf Kopfschmerzen einstellen.
Ich kann euch sagen, ich liebe diese Abende eines jeden Fastentages. Es ist so schön, mit allen zusammen draußen zu sitzen und gemeinsam das Fasten zu brechen. Und jeden Abend denke ich, dass mir eine Mahlzeit nie besser geschmeckt hat als in diesem Moment. Das Fasten lehrt mich nicht in erster Linie zu verzichten, sondern zu genießen und über die Erfahrung bin ich wirklich froh. Nebenbei lerne ich auch noch, ein bisschen libanesisch zu kochen. Wir bereiten das Essen immer schon in unserer Mittagspause vor und zaubern dabei die leckersten Salate, Fleischgerichte und Desserts. Ich versuche, mir die Rezepte gut einzuprägen, damit ich meine Freunde und Familie in Deutschland dann damit bekochen kann :)


Ich würde so gern noch Bilder hochladen, in letzter Zeit habe ich so viele Schöne gemacht. Aber leider ist unser Internet viel zu langsam, die letzte Woche hat es gar nicht funktioniert. Ihr müsst also noch 3 Wochen warten, dann lade ich die Bilder von Deutschland aus hoch. 

Donnerstag, 27. Juni 2013

Das Ende meiner Schulzeit!

Das letzte Schuljahr meines Lebens ist zu Ende. 12 Jahre lang habe ich Schule mit dem Blickwinkel einer Schülerin betrachtet. Nun habe ich auch 1 Jahr lang erlebt, wie es ist, wenn man vor der Tafel steht, anstatt mitten unter den Schülern hinter der Schulbank zu sitzen. Beide Erfahrungen haben mich manchmal gestresst und genervt, aber beide haben mir auch genau so viel Freude bereitet und mich so unendlich viel gelehrt. Ich glaube, würde ich nochmal in die Schule zurückgehen, ich würde weniger über von mir ungeliebte Lehrer schimpfen und die umso mehr schätzen, die trotz aufgeregter, quatschender oder langsamer Schüler ruhig bleiben und mit viel Geduld auf diese eingehen. Das ist nämlich gar nicht so einfach. Mutti erinnert sich mit Sicherheit noch daran, wie oft sie mich früher gebeten hat, doch ein bisschen ruhiger und geduldiger zu werden. Wenn ich zurückkomme, wird sie mir das sicher nicht mehr so oft sagen müssen, denn das habe ich hier gelernt.
Anfangs fiel es mir schwer, zu begreifen, dass einige meiner Schüler nicht mit dem Lernstoff mithalten konnten und trotz regelmäßiger Wiederholung und Übung das Gelernte eben einfach nicht in den richtigen Zusammenhang einordnen und im Gehirn abspeichern konnten. Mittlerweile habe ich aber etwas begriffen. Jeder Mensch hat eine andere Wahrnehmung. Und besonders die Schüler an FiSTA erfahren ihre Umwelt durch Schwächen wie Konzentrationsstörung, ADHS, Autismus, Bipolarität, Paranoia etc. in einer ganz speziellen, ihnen eigenen Art und Weise.  Sie nehmen Details intensiver wahr, empfinden Geräusche als lauter und Farben als kräftiger, sind also ständig abgelenkt. Und jetzt stellt Euch mal vor, Ihr müsst eine schwierige Aufgabe lösen. Die Musik ist laut aufgedreht, es riecht nach frisch gekochtem Essen, neben eurem Ohr surrt eine Fliege, jemand spielt unablässig mit seinem Kuli, das Licht über Euch flackert und von irgendwoher hört ihr Stimmen von lachenden Kindern. Könntet ihr Euch konzentrieren? Sicher nicht, und da kann der IQ noch so hoch sein. Ablenkungen, die wir meist nur für kurze Zeit ertragen müssen, erleben viele dieser Kinder die ganze Zeit. Und nachdem ich das einmal begriffen hatte, konnte ich ganz anders auf meine Schüler eingehen. Nachher lief es nicht automatisch besser, aber ich wurde entspannter, ausgeglichener und verzweifelte weniger schnell. Jeder Mensch hat eine andere Wahrnehmung, und das gilt für alle von uns. Ich glaube, wenn man auf andere Menschen eingehen will, muss man das verstanden haben. Nur weil ich etwas fühle, denke, glaube heißt das nicht, dass es meinem Gegenüber genauso geht oder gehen muss.
In der Schule wollte ich meine Schüler bestmöglich unterrichten und das war nicht immer einfach. Es ging nur, wenn ich mich wirklich mit ihnen auseinander gesetzt und versucht habe, zu verstehen, was sie denken und wie sie sich fühlen, ohne sie dabei zu verurteilen oder „abzustempeln“. Ich glaube, das ist etwas, was ich hier fürs Leben gelernt habe.
Jetzt, wo die Schule vorbei ist, arbeite ich als Betreuerin im Sommercamp von FiSTA. Wir haben ein Sommercamp für die älteren Jungen in den Bergen und eins für die Mädchen und jüngeren Schüler, das weiterhin an der Schule stattfindet. Tagsüber gibt es 40 Kinder zu betreuen, zum Schlafen bleiben nur 8. Ich bin hauptsächlich für die 8 verantwortlich, die dauerhaft da sind. Fast alle von ihnen kannte ich vorher gar nicht, denn sie sind extra für das Camp aus Jordanien, Saudi-Arabien oder Kuwait angereist. Und deshalb haben einige, besonders die Mädchen, gerade ziemlich dolles Heimweh und finden es hier gar nicht so schön. Das ist nicht ganz einfach, aber Tränen lassen sich ja trocknen und auch aus Wut kaputt gegangene Stühle kann man reparieren. Ich glaube, es wird ein schöner Sommer wenn sich erst mal alle eingelebt haben. Wir haben sogar einen richtig großen und zwei kleine Swimmingpools mit Liegeweise drum herum aufgebaut, damit ein bisschen Urlaubsgefühl aufkommt.  Und sobald wir den benutzen und nebenbei noch Musik anmachen, ist jedes Heimweh unter den Schülern vergessen und alle haben ein Lächeln im Gesicht.
Das einzig Doofe an dem Sommercamp ist, dass Siham und ich unser altes, chaotisches, gemütliches Zimmer räumen mussten. Siham muss jetzt als Betreuerin im Camp in den Bergen arbeiten und ich sehe sie kaum noch. Ich habe dafür ein eigenes Zimmer bekommen. Eigentlich sollte ich mich voll darüber freuen, aber ohne vor dem Einschlafen mit Siham zu quatschen und ihr nachts beim Reden im Schlaf zuzuhören, ist irgendwie ganz schön langweilig und tris. Wir haben ja nun ein Jahr lang alles geteilt,:unser Zimmer, unser Bad, selbst unsere Kleidung und Schuhe, unsere Freunde. Und da ich hier keine Gastfamilie oder so hatte, ist Siham meine Schwester geworden, die ich jetzt ganz schön vermisse. Ich weiß, dass ich mich dran gewöhnen muss, wenn ich zurück in Deutschland bin ist sie ja auch nicht immer da, um mit mir über die neusten Ereignisse im Libanon und der arabischen Welt zu diskutieren,  zu kochen oder einen –entschuldigt den Ausdruck- kleinen Tritt in den Hintern zu geben, damit ich endlich aufstehe.

Was den Libanon angeht, naja...die letzte Woche war nicht unbedingt fürderlich für die Situation. In Saida, einer Küstenstadt im Süden von Beirut, haben sunnitische Milizen einen Checkpoint angegriffen. Und die Armee hat im Libanon eine besondere Stellung. Das Volk steht geschlossen hinter der Armee, man respektiert die Soldaten, die Armee wird nicht nur geachtet, sie wird ge- und verehrt. Geht man an einem Soldaten vorbei, ist es zum Beispiel üblich, "Gott segne Dich, mein Volk" oder "Gott segne Deine Arbeit" zu grüßen um dessen Arbeit zu ehren. Wenn genau diese Armee also angegriffen wird, dann birgt das einiges an Konfliktpotential. Noch dazu, wenn mindestens 17 Soldaten bei den folgenden Kämpfen sterben und es über 100 Verletzte gibt. Die sunnitischen Angreifer unterstehen Scheich Assir. Ein sunnitscher Prediger, der besonders im Süden des Landes immer mehr Einfluss gewinnt und durch seine leidenschaftlichen Reden, in denen er regelmäßig gegen den Iran, Syrien und die Hizbollah wettert, als "Hardliner" bekannt geworden ist. Zusätzlich zu den Angriffen auf Checkpoints hat Assir in vielen Teilen des Landes Straßensperren errichten lassen und den Verkehr blockiert und teilweise ganz stillgelegt. Mittlerweile hat die Armee das Gebiet um Saida jedoch wieder unter Kontrolle gebracht und man hört nur noch wenig von dort.
Gestern hat dann noch eine Nachrichtenmeldung für Schock und ungläubiges Kopfschütteln gesorgt. Als einer der Beiruter Busse in der Nähe des Nationalmuseums anhielt, um neue Mitfahrer einsteigen zu lassen, stürmten 4 Männer den Bus und gingen mit Messern auf die Insassen los. Ohne jegliche Vorwarnung, ohne Grund. Mir fällt kein anderes Wort als Wahnsinn dafür ein. Das hat nichts mit Politik oder Religion oder inländischen Spannungen zu tun. Das ist purer Wahnsinn. Viele glauben nicht, dass Libanesen die Täter waren. In dieser eh schon kritischen Zeit liegt keinem Libanesen was daran, die Situation noch mehr zu gefährden. Und erst recht nicht durch so eine grundlose, unerklärlich aggressive Messerstecherei. Dabei wurden einige verletzt, gestorben ist -al hamdulilla- aber niemand.
Und ich muss zugeben, dass ich selbst mittlerweile auch vorsichtiger geworden bin und kaum noch richtig weg gehe. In den meisten Ecken ist es zwar ruhig, aber die Unruhen treten so plötzlich auf, dass ich mich nicht unbedingt dem dummen Zufall ausliefern will.
Aber ich hoffe immer noch, dass die Situation nicht eskaliert und sich wieder beruhigt. Und die Möglichkeit besteht, denn wenn ich den Berichten von einigen Freunden glaube, dann sind die libanesischen Sommer seit 2006 regelmäßig spannungsgeladen.
In dem Sinne sage ich Euch hier mal mit viel Hoffnung und Optimismus "Tschüss"! :)

Montag, 17. Juni 2013

Veränderungen

Die Zeit rast. Das ist mir in den letzten Tagen und Wochen erst so richtig bewusst geworden. Noch 1 Woche und das Schuljahr hier im Libanon geht zu Ende. Bis in einem Monat muss ich mir überlegen, was ich in den nächsten Jahren mit meinem Leben anfangen will, denn dann ist Bewerbungsschluss für die meisten Unis.  Noch 1 ½ Monate und mein Auslandsjahr ist vorbei. Aber da vor der Zukunft erst Vergangenheit und Gegenwart kommen, schreibe ich euch jetzt mal von den letzten, sehr geschäftigen Wochen hier im Libanon.
Die Raketenanschläge sind vorbei gegangen, ohne dass hier der von vielen vorhergesagte Bürgerkrieg ausgebrochen ist. In der Bekaa-Ebene hat es zwar noch mehrmals Raketen geregnet und auch in Tripoli wird noch gekämpft, doch in Beirut ist es bis auf eine größere Demonstration vor der iranischen Botschaft ruhig geblieben. Dass sich die Lage, die nach außen hin recht ruhig scheint, trotzdem verändert hat, merkt man daran, dass über unseren Köpfen jetzt öfter mal ein UN-Hubschrauber fliegt und nicht mehr nur die israelischen Armeeflugzeuge. Oder auch daran, dass wir Freiwilligen jetzt spätestens abends um 10 Uhr zurück sein müssen, wenn wir irgendwo unterwegs waren. Und selbst einige von unseren Bekannten bleiben abends jetzt eher zu Hause als noch wegzugehen.
Das Chaos im Land ist (zum Glück!!) vorerst ausgeblieben, dafür hat es in der Schule umso mehr Einzug gehalten. Letzte Woche war zum Beispiel Prüfungswoche, in der jede Klasse in sämtlichen Fächern Abschlussarbeiten geschrieben hat. Nebenbei mussten für jeden Schüler eine Art Jahresabschlussbericht, ein extra Bericht für die Eltern und dann manchmal noch einer für die Therapeuten geschrieben werden. Und gerade bereiten wir eine große Schuljahresabschlussfeier vor. Einige Schüler haben auch noch an den libanesischen Schülerparalympics im Schwimmen teilgenommen und waren super gut, in der Gesamtbewertung hat unsere Schule Gold erhalten! Außerdem haben wir zusammen mit einer anderen Schule einen Videoclip gedreht, der in ein paar Medien hier ausgestrahlt werden und das Bewusstsein für seelen-pflegebedürftige Menschen im Libanon wecken soll. Es ist kaum vorstellbar, aber wahr: Viele Leute hier können kaum mit körperlich oder geistig beeinträchtigen Menschen umgehen, da sie noch nie welchen begegnet sind, eine Integration in die Gesellschaft findet kaum statt. Unsere Direktorin hat uns sogar erzählt, dass viele Eltern ihre pflegebedürftigen Kinder richtiggehen wegsperren, weil sie sich schämen und vor dem Urteil der Gesellschaft fürchten. Das ist nicht nur erschreckend sondern wirklich traurig, denn wer schon mit diesen Menschen gearbeitet oder gelebt hat, wird bemerkt haben, wie viel Licht und Freude sie ins Leben bringen.
Über dieses Thema, also Heilpädagogik und die Integration von Seelen-Pflegebedürftigen in die Gesellschaft, halten wir Freiwilligen nächste Woche auch einen Vortrag vor dem Lehrerkollegium. Für unsere Arbeit hier war es wichtig, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen und so haben wir Bücher und Artikel gelesen, ein paar Vorträge angehört und einmal pro Woche mit unserer Chefin zusammengesessen und darüber diskutiert. Unsere Erkenntnisse sollen wir jetzt selbst in einem Vortrag verarbeiten. Aber schon allein das Wort „Vortrag“ klingt irgendwie trocken und zu sehr nach dem üblichen Schulkram, deshalb wollen wir das Ganze als kleines Theaterstück aufbauen. Ich sag euch dann nächste Woche, wie es geklappt hat ;)
Und dann gab es noch ein paar große Veränderungen in unserer Residence. Vor 2 Wochen war ein Feng Shui Trainer an der Schule und hat festgestellt, dass unser Raumklima ganz schlecht sei, unsere Einrichtung löse eine ganz unangenehme Atmosphäre aus. Aber zum Glück hatte er ein paar gute Tipps dabei, um das Problem zu lösen. Die Tipps wurden dann in Windeseile in einer kleinen, spontanen Chaosaktion am vorigen und diesem Wochenende umgesetzt. Letzten Freitag kam ich gerade von der Arbeit, da hieß es: „Räumt ganz schnell euren Schrank aus, der muss umgestellt werden“. Alle Kleiderschränke standen bis dahin aus Platzgründen immer im Flur vor den Zimmern. Jetzt stehen sie im Salon, neben dem Fernseher. Wenn ich also duschen oder mich umziehen will, dann lauf ich erst eine Runde durch den Flur und den Essensraum bis ich im Salon bin, wo meistens jemand Fernsehen schaut und mir dann zusieht, wie ich aussuche, was ich als nächstes anziehen will. Aber es wurden nicht nur Schränke umgeräumt. Auch Tische und Sportgeräte und Essen und und und. Außerdem wurde großer Hausputz gemacht und jetzt blinkt und glänzt alles hier wie neu.
Als Siham und ich dann gestern Morgen aufgestanden sind, und uns in unseren Schlafsachen auf den Weg zum Kleiderschrank machen wollten, wurden wir ziemlich ungewöhnlich begrüßt. Wir mussten nicht mal unsere Zimmertür aufmachen. Die war nämlich schon auf, ein Maler stand davor und war dabei, den Türrahmen in einem gute Laune weckendem Lila zu streichen. So wird man ja nicht jeden Morgen geweckt, aber ich kann euch sagen, so eine Überraschung macht auf einen Schlag hellwach. Und wo die Maler schon mal dabei waren, hat auch noch das Esszimmer eine neue Farbe bekommen und strahlt jetzt in einem frischen grün.
Auch wenn ich die Art und Weise der ganzen Neuerungen in der Residence bisschen ungewöhnlich fand, find ich ehrlich, dass es hier wohnlicher geworden ist. Alles neu, alles frisch und alles schön. Der Feng Shui Trainer hatte recht, jetzt bekommt man wirklich gute Laune wenn man durch unsere Residence geht. :) 
Euch allen eine gute Woche!




Die Schüler waren unendlich glücklich und stolz auf ihre gewonnen Medaillen beim Schwimmwettkampf! :)

...unsere lila Tür :)

 Das letzte Wochenende haben wir ganz der Garten - und Hausarbeit gewidmet:



Beirut by Bike - was gibt es Schöneres, als im Sonnenschein am Meer entlang zu radeln?

Sonntag, 9. Juni 2013

Heut mal ein bisschen Musik für Eure Ohren an Stelle vom regulären Text für Eure Augen :)

Bis ich meinen nächsten Blog schreibe, habe ich hier einen kleinen Input für euch. Hört euch das Lied bitte an, es wurde von Herzen getextet! Ein Freund, der seinen Freiwilligendienst gerade in Jordanien macht, hat das gerappt.
Jonny - Lebenszeichen
Meine Lieblingstelle: "Meine neuen Freunde sprengen bald das Weiße Haus. Quatsch- nicht jeder Araber ist Terrorist. Mach mal meine Arbeit, dann weißt du was Terror ist."
Und für alle, die mehr hören möchten, gibt es auch noch ein wirklich schönes Weihnachtslied. Stimmt, die Jahreszeit passt dazu nicht wirklich, aber das Lied ist es wert, gehört zu werden.
Jonny feat. Frido- Zünd ein Licht an


Donnerstag, 30. Mai 2013

Bumm.

Als ich vor ein paar Tagen die Nachrichten gegoogelt habe, sind mir 2 Überschriften sofort ins Auge gesprungen: „Syrien-Krieg hat den Libanon längst erreicht“ (Tagesanzeiger) und „Die Hisbollah macht den Libanon zum Schlachtfeld“ (Welt). Als ich diese und noch weitere Schlagzeilen deutscher Zeitungen gelesen habe, war ich ziemlich erschrocken. Denn es stellt die momentane Lage im Libanon recht dramatisch dar. Diese Überschriften klingen, als hätte der syrische Bürgerkrieg schon längst übergegriffen und als wäre nun der ganze Libanon betroffen und destabilisiert.
Ich versuche jetzt mal, euch meine Sichtweise und mein Erleben der Situation hier zu schildern. Klar kann ich das auch nur subjektiv machen und nicht den Anspruch erheben, dass meine Einschätzung die Richtige ist. Aber ich kann immerhin behaupten, dass ich mich auch in dem Land aufhalte, über das ich schreibe und damit näher am Geschehen dran bin als einige der Journalisten, die von Europa und Amerika aus berichten und damit auch ein bisschen ihrer Fantasie in ihre Artikel einfließen lassen, anstatt bloß die Fakten zu nennen.
Sicher wisst ihr, dass am Sonntagmorgen um 6 Uhr 2 Raketen in Beirut eingeschlagen sind. Dabei ist niemand gestorben, aber 5 Menschen wurden verletzt. Dieser Anschlag gilt als Reaktion auf eine Rede die Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der Hizbollah, am Samstagabend gehalten hatte. In dieser Rede hat er sich nicht nur öffentlich dazu bekannt, dass die Hizbollah in Syrien an der Seite des Assad-Regimes mitkämpft, sondern Assad auch die volle Unterstützung der Hizbollah bis zum Ende garantiert. Des Weiteren hat er Assad zugesichert, dass er nicht stürzen werde. Als Antwort darauf wurden dann Raketen als "Gruß" in ein Beiruter Viertel gesendet, in dem hauptsächlich Schiiten wohnen. Niemand hat sich offiziell zu dem Anschlag bekannt, aber man kann davon ausgehen, dass er von syrischen Rebellen oder zumindest Gegnern des Assad-Regimes begangen wurde. Kurz nach dem Anschlag hat Idriss, der Führer der Rebellengruppe „Freie Syrische Armee“ 
(FSA) die Hizbollah dazu aufgefordert, ihre Kämpfer sofort aus Syrien zurückzuziehen, sonst würden
 weitere Angriffe auf die Hizbollah im Libanon folgen. Heute Morgen hat mir außerdem eine
Kollegin erzählt, dass im libanesischen Sender MTV gestern bekannt gegeben wurde, dass in 3 Tagen weitere Angriffe auf die Hizbollah geplant seien. Diese sollen natürlich hauptsächlich in Gebieten
stattfinden, wo Schiiten leben und die Hizbollah Einfluss hat. Das wären dann die Hochebene Bekaa im Nordosten des Landes, das hauptsächlich schiitische Viertel Dahiye in Beirut, in dem regelmäßig Ansprachen Nasrallahs in einem riesen Saal übertragen werden und große Teile im Süden des Landes.
Und trotz allem muss man sagen, dass die Leute hier das alles noch recht entspannt sehen und einfach ruhig abwarten, was in den nächsten Wochen passiert. Nach den Raketenangriffen gab es keine bedeutenden Aufstände, Demonstrationen oder Kämpfe, es hat sich alles sehr schnell beruhigt. Im Moment wird tatsächlich nur in Tripoli gekämpft. Und Tripoli kann man in gewisser Weise als Ausnahme sehen, denn nur dort leben Alawiten. Auch die Assad-Regierung ist alawitisch, von daher ist dort die Kluft zwischen Unterstützern und Gegnern des syrischen Regimes noch größer und das Konfliktpotential stärker.
Zusammenfassend kann man sicher behaupten, dass der Libanon gerade vor einer Zerreißprobe steht und es langsam ein bisschen „ungemütlicher“  und angespannter wird. All die syrischen Flüchtlinge, 
die vielen toten Hizbollah-Kämpfer, die jeden Tag bestattet werden und die Zersplitterung der 
Parteien und Konfessionen untereinander machen die Sache noch schwieriger. Und an dieser Stelle finde ich es wirklich wichtig zu erwähnen, wie sehr sich die politischen Führer des Landes bemühen, den Frieden zu bewahren. Es gibt in diesem Land 18 unterschiedliche Konfessionen und all die verschiedenen politischen Lager sind extrem gespalten bis verfeindet. Ich denke, da kann man sich vorstellen, wie schwierig es ist, ein gewisses Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Ich glaube kaum, dass ein europäisches Land in der Lage wäre, die innen- und außenpolitischen Herausforderungen, vielmehr Probleme, zu bewältigen.
Dass der Bürgerkrieg aus Syrien bisher noch nicht hier übergegriffen hat, verdankt das Land einem gemeinsamen Ziel, dass alle hier teilen: Man will keinen Krieg. Der Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 und der Krieg mit Israel im Sommer 2006 haben ihre Spuren hinterlassen und die Menschen sind kaputt und müde von all den Kämpfen. Niemand will davon eine Wiederholung.
Jetzt können wir nur abwarten, ob die Bemühungen Erfolg zeigen oder ob der fragile Frieden nun doch durch den syrischen Bürgerkrieg und die damit verbundenen Ereignisse zerbricht. Aber ich fühle mich hier auf jeden Fall noch sicher.
Eins möchte ich noch loswerden, da ich im Internet ein bisschen über die Diskussion gelesen habe, ob man nun Waffen an syrische Rebellen liefern soll oder nicht. Wie können denn westliche Politiker das Eingreifen der Hizbollah in Syrien verurteilen und gleichzeitig ihr eigenes Einmischen durch Waffenlieferungen an Rebellen rechtfertigen? Wie können sie denn vorhersehen, dass die jetzigen syrischen Rebellen nach Assads Sturz in der Lage sein werden, dass Land gut zu regieren und Menschenrechte nicht mit Füßen zu treten? Man sollte bedenken, dass unter den syrischen Rebellen al-Qaida und al-Nusra-Mitglieder, Salafisten und Extremisten kämpfen, die der Westen doch sonst gar nicht gern hat. Die Waffen, die der Westen eventuell liefern wird, werden Menschen verletzen und töten. Und woher nimmt man das Recht, über Leben und Tod eines anderen Menschen zu entscheiden?
Man kann doch nicht einerseits die syrischen Kämpfe, all das Morden und Töten verurteilen und es dann selbst fördern. Falls der Westen nun auch offiziell in Syrien eingreift, dann sicher nicht aus purer Nächstenliebe und um das Leiden der Menschen dort zu beenden. Sondern schlicht und einfach um politische Interessen zu wahren.


Sonntag, 19. Mai 2013

Fazit der Woche: Eine Hausparty bringt auf jeden Fall mehr Spaß als ein Galadinner!


Hinter mir liegt eine richtig coole Woche, in der ich so einiges erlebt habe. Von besetzten Häusern ging es in eine Kirche und in ein Luxushotel, von der Stadtführung zum Galadinner und zu einer Hausparty. Aber erst mal eins nach dem andern…

Letztes Wochenende war ich mit einem Kollegen unterwegs und er hat mir eine Stadtführung durch Beirut gegeben. Erst dachte ich, dass es ziemlich langweilig werden würde, weil ich Beirut mittlerweile nun doch selber schon ganz gut kenne. Pustekuchen! Ich habe einige Teile von Beirut nochmal ganz neu kennen gelernt. Die meisten Bauten hier sind alle ziemlich neu, einerseits weil im Krieg so viel zerstört wurde und danach neu aufgebaut wurde, andererseits weil das Land generell in einem ziemlichen Bauwahn zu stecken scheint und alles neu und modern sein muss. Von daher gibt es hier zum Beispiel auch keine wirkliche Altstadt. Nur ein Viertel gibt es noch, dass noch im „alten Stil“, wie man hier sagt, erhalten ist. Und genau dort waren wir. Leider stehen viele Gebäude dort leer und niemand kümmert sich darum, sie zu erhalten. Und so verwahrlosen sie vor sich hin. Das Flair ist trotzdem noch erhalten und wenn man dort durch die Straßen läuft, fühlt man sich um 100 Jahre in der Zeit versetzt. Einige der leerstehenden Häuser wurden auch durch Künstler und Studenten besetzt und ich war erstaunt, wie cool die sich dort eingerichtet haben. Gleich das erste Haus, in dem wir waren, hat mich total begeistert. Im Keller hatte sich jemand ein kleines Fotostudio eingerichtet, das gesamte Erdgeschoss war ein einziger riesiger Aufenthaltsraum, im 1. Stock gab es ein richtiges kleines Tanzstudio und ein Büro für Architekturstudenten und im obersten Stock hat sich jemand eingerichtet, um dauerhaft dort zu leben. Das schönste aber waren die Dachterrasse und der Garten. Der Blick vom Dach aus war richtig toll, auf der einen Seite hatte man einen super Blick aufs Meer, auf der anderen konnte man die Bauten Beiruts bestaunen. Und im Garten waren gerade 5 Leute am Boden umgraben und pflanzen, während drum herum gefeiert und gegessen wurde. Und selbst in den kleinsten, hintersten Winkeln des Hauses gab es noch etwas zu bestaunen. Mal waren es Antiquitäten, mal wunderschöne Gemälde und mal die Leute dort an sich. Will man junge und kreative Leute treffen, ist das Viertel wirklich ideal.



An dem Tag habe ich auch noch sooo leckeren Kaffee im ältesten Kaffeehaus der Stadt getrunken, Superhelden im Marvel-Museum bewundert und mich mitten in einer Kirche ins Gras gelegt. Wie das geht, mitten in einer Kirche? Naja, die Kirche war schon recht alt, ich glaube sie wurde so Anfang des 19. Jahrhunderts gebaut. Irgendwann muss irgendjemand irgendwie das Dach dieser Kirche entfernt haben und die gesamte Inneneinrichtung mitgenommen haben, so das heute nur noch die Kirchmauern stehen und innen Gras wächst. Eigentlich war die Kirche eingezäunt, aber sie sah so faszinierend aus, mit dem wuchernden, märchenhaften Garten innen drin und drum herum, dass wir einfach über den Zaun klettern mussten um im Innern der Kirche kurz Pause zu machen. Abends bin ich dann noch mit Siham und einer Kollegin weggegangen und wir haben das Wochenende in einem echt lustigen Mädelsabend ausklingen lassen. 

Am Montag gab es dann noch eine kleine Überraschung für mich. Mir wurde gesagt, dass ich am Mittwoch zu einem Galadinner im 4-Jahreszeiten-Hotel am Yachthafen in Beirut gehen würde. Das Galadinner wurde von der Dirkektorin unserer Schule ausgerichtet und dazu waren „die Reichen und Schönen“ des Libanon eingeladen. Das Ganze war dazu da, um Spenden für unsere Schule einzusammeln. Dummerweise hatte ich nicht grad zufällig ein elegantes Kleid und hübsche Pumps im Schrank, also musste ich Dienstag noch schnell nach der Arbeit los ein Kleid, Schuhe und Schmuck shoppen. Und nachdem ich dann am Mittwoch noch beim Friseur war, um meine Haare ein bisschen zurechtschneiden zu lassen, ging es am Abend los zu der mit Abstand luxuriösesten Veranstaltung meines Lebens. Unter den Gästen waren ein paar Minister des Libanon, Botschafter oder Vertreter von Botschaften, Unternehmer und und und, kurz gesagt, Leute mit Namen und Geld. Ich fand es faszinierend, so viel Reichtum versammelt zu sehen. Aber ich fand es auch bisschen erschreckend. Einige Leute dort waren echt nett, aber andere wiederum haben wohl vergessen, wie man Leute, die nicht aus der eigenen Gesellschaftsschicht stammen, begrüßt oder behandelt. Lustig wurde es dann aber beim Essen. Nachdem ich kurz beobachtet habe, wie man möglichst elegant isst, habe ich mir ein Brötchen genommen und mit beiden Händen in mich rein gemampft ;) Beim folgenden 3-Gänge-Menü habe ich mir dann aber auch ein bisschen Mühe gegeben, beim Essen gut auszusehen. Unterhalten wurden wir durch Geigenspieler, die zwischen den Tischen herumgelaufen sind und später noch durch die berühmtesten Comedians des Landes. Mein persönlicher Höhepunkt des Abends war eine Auktion, während der für ein paar tausend Dollar Handtaschen, Bilder und Teppiche versteigert wurden. Mir sind fast die Ohren abgefallen, als ich die Gebote gehört habe, von so viel Geld kann man monatelang gut leben! Mein Tiefpunkt des Abends war aber die Begegnung mit meinem libanesischen Zahnarzt. Vor ein paar Monaten hatte ich Zahnschmerzen, weil mein letzter Weisheitszahn langsam durchkommt und bin zum Zahnarzt gegangen. Dieser hatte mir noch vor der Behandlung angeboten, doch auch mal seine Söhne kennen zu lernen. Auf jeden Fall konnte er den Weisheitszahn damals noch nicht ziehen und hat mir stattdessen gesagt, ich solle einmal pro Monat vorbei kommen und dann würde er den Zahn irgendwann ziehen. Natürlich bin ich nicht gegangen, weil Zahnarztbesuche mir immer noch Angst machen und die Zahnschmerzen nach einer Weile verschwunden sind. Ich konnte ja auch nicht damit rechnen, ihn nochmal wieder zu treffen und dann auch noch auf dem Galadinner. Er hat mir dann eine kleine, aber lieb gemeinte Standpauke gehalten und mir nahe gelegt, auf jeden Fall bald zur Durchsicht zu kommen. Na mal sehen was daraus wird.
Der Abend ging auf jeden Fall recht schnell vorbei und ich war nicht böse darüber. Das war nicht wirklich was für mich, mir hat der Flair gefehlt, die Leute hatten Geld aber teilweise schien es nicht, als ob sie auch genauso viel Charakter hätten. Ich bevorzuge auf jeden Fall eine Party mit meinen Freunden, wo ich einfach locker Spaß haben kann. Und genau den Spaß hatte ich dann am Freitagabend mit Siham auf einer Party, die so gar nicht wie das Galadinner war. Wir waren bei einem Freund zur Hausparty eingeladen und haben ausgelassen gefeiert. Es waren Leute aus Frankreich, Kanada, dem Iran, Libanon und Deutschland da und es war einfach super. Wir haben Raclette gemacht und nachher gab es noch Schokofundu und Kuchen, den wir gleich so alle zusammen von der Platte gegessen haben. Als Nachtisch nach dem Nachtisch wurde dann der Martini und Vodka geöffnet und wir haben getanzt, bis wir nicht mehr konnten und uns kurz auf dem Balkon an der frischen Luft ausruhen mussten. Siham und ich sind erst und 5 Uhr wieder zurück in der Schule gewesen und hatten ziemliches Glück, dass wir noch rein gekommen sind und uns trotzdem niemand beim so späten Heimkommen erwischt hat. Dummerweise habe ich dieses Wochenende Schicht und musste um kurz nach 8 schon wieder raus, aber ich hatte Glück und meine Arbeit war entspannt. Gestern, also Samstagabend, waren wir nochmal mit ein paar Leuten etwas trinken, die auch mit auf der Party waren. Es wurde wieder eine richtig gute Nacht, im Pub wurde arabische Livemusik gespielt und nicht Wenige tanzten auf den Tischen. Ich habe mir aber vorgenommen, heute gleich nach der Schicht ins Bett zu gehen, damit ich meinen Schülern morgen früh nicht erklären muss, warum ich so müde bin.
Diesmal gibt es leider nicht so viele Bilder, weil meine Kamera gerade ein bisschen spinnt. Aber Fantasie ist ja auch was Schönes und da könnt ihr einfach ein bisschen eure Vorstellungskraft trainieren ;) Ich wünsche Euch eine echt schöne Woche!
 

Die beiden Männer sind Comedians. Und auch wenn sie so bekannt sein sollen, kannte ich sie nicht. 

Und jetzt die Bilder von der Hausparty:







Sonntag, 12. Mai 2013

Zum Muttertag

Liebe Mutti

19 Jahre bist du nun schon für mich da,
Und du sollst wissen, was für eine schöne Zeit das war. 
Ich weiß, ich war nicht immer das einfachste Kind.
Ziemlich oft stur, zickig und immer ein kleiner Wirbelwind. 
Schon im Kinderwagen habe ich dir die Ohren voll geschrien,
Und dann, endlich volljährig, wollte ich auch noch in den Libanon gehn! 
Ich weiß, du machst dir oft viele Sorgen und Gedanken,
Aber deine Liebe zu mir gerät nie ins Wanken. 
Du fandest selten alle meine Pläne toll,
Und trotzdem unterstützt du mich immer voll.
Um keinen Preis der Welt wöllte ich eine andere Mutti haben,
Dafür, dass es dich gibt, möchte ich dir "Danke" sagen. 




Montag, 6. Mai 2013

Kunzingers und Schmidts mischen den Libanon auf

Die letzte Woche war mit Abstand die schönste während meiner bisherigen Zeit hier im Libanon. Denn ich hatte endlich Besuch aus Deutschland, genauer gesagt aus Ullersdorf! Mutti, Vati und unsere Lieblingsnachbarn, Familie Schmidt, sind Samstagmorgen um 3 Uhr auf dem Beiruter Flughafen gelandet, um den Libanon ein bisschen aufzumischen ;) Und während die 5 alle Pass- und Sicherheitskontrollen durchliefen, stand ich ganz aufgeregt hinter den Sicherheitsabsperrungen im Ankunftsterminal und kämpfte mit meiner Ungeduld. Bis ich dann eeendlich das suchende Gesicht meiner Mutti gesehen habe, die mich unter all den anderen Wartenden nicht gleich entdeckt hat. Ich glaube, ihr könnt Euch vorstellen, wie groß die Wiedersehensfreude bei uns allen war. ;)
Jetzt mussten wir natürlich erst mal zum Hotel kommen. Das ging leider nur mit zwei Taxis, da wir 6 Personen mit all den Koffern nun doch ein bisschen zu viel für ein Taxi waren. Und so wurde schon die erste Taxifahrt im Libanon für meine Familie ein Erlebnis. Beide Taxifahrer waren Raser und man hat sich mehr an ein Autorennen als eine normale Taxifahrt erinnert gefühlt. Noch dazu haben sich die beiden Taxis verloren und besonders meine Mutti hat sich ein bisschen Sorgen um Schmidts gemacht, die allein in einem Taxi saßen und kein Wort Arabisch konnten. Auf meinen nicht wirklich ernst sondern eher lustig gemeinten Spruch "Naja, hoffentlich werden sie nicht entführt...", sind ihr auch ganz kurz die Gesichtszüge entgleist, bevor sie lachen konnte :) Am Ende haben's aber natürlich beide Taxis zum Hotel geschafft. Dort haben wir dann noch bis um 5 Uhr morgens gequatscht, bis wir alle ziemlich müde in unsere Betten gefallen sind. So gegen um 11 haben wir es dann auch raus aus unseren Betten geschafft und haben den Tag mit einem leckeren, libanesischem Frühstück eingeläutet. Es gab frischgepressten Orangensaft mit "Manouché", das ist so was Fladenbrot- und Pizza-ähnliches, was mit Käse, Thymian & Olivenöl, Quark oder einer Tomatenpaste bestrichen wird. Auf jeden Fall ist es sehr lecker :)
Und danach begann gleich eine kleine Stadtführung in Beirut. Wir haben Downtown abgeklappert, also das Nobelviertel mit all den tollen Designerläden was an allen Enden von Soldaten bewacht wird, standen vorm Parlament, waren in der Rafiq-Hariri-Moschee und am Grab des ehemaligen Premierministers, und natürlich sind wir auch am Meer entlang spaziert, vorbei am Yachthafen und dem Wahrzeichen Beiruts, der Raouché. Die Raouché ist der weltweit größte im Meer aufragende Felsen und sieht noch dazu auch wirklich schön aus. Da Schmidts und Kunzingers aus Deutschland gutes Wetter mitgebracht hatten, war es so heiß, dass wir zwischendurch Pause im Café machen mussten. Den Tag haben wir dann am "weißen Strand" von Beirut ausklingen lassen. Dummerweise ist das ein öffentlicher Strand und es ist nicht so gut angesehen, wenn Frauen im Bikini schwimmen gehen. Ganz schön ungerecht ist das. Naja, da sind Marion, Anne und ich dann eben in Sachen baden gegangen. Es war zwar schön erfrischend, aber habt ihr mal probiert, mit Sachen zu schwimmen? Das macht sich gar nicht...
Sonntag waren wir dann in meiner Schule und auf dem lauten, überfüllten Sonntagsmarkt. Und abends waren wir richtig typisch libanesisch Essen. Mit allem, was dazu gehört. Und das heißt, dass alle wenigstens einmal Wasserpfeife rauchen mussten. Es wurde ein sehr lustiger Abend, denn nicht alle haben das Shisharauchen gleich hinbekommen und da musste erst mal viel geübt werden ;) Aber irgendwie haben doch alle Gefallen am Rauchen gefunden, selbst die striktesten Nichtraucher unter uns, und so wurde die Shisha während unserer Woche zu einer Art treuem Freund. Schmidts haben sogar eine als Souvenir mitgenommen und ich wette, Vati hat unsere Shisha schon aus dem Keller geholt und in seine Samstagabende vor dem Lagerfeuer integriert.
Für Montag hatten wir uns einen Kleinbus mit Fahrer gemietet, der uns in den Chouf, also die Zedernwälder gebracht hat. Da die Zedern nur in bergigen, hohen Gebieten wachsen, sind wir gleich noch Wandern gegangen. Ich dachte ja, dass ich mich hier im Libanon ein bisschen mit dem mir früher so verhassten Wandern angefreundet hätte. Aber in der Hitze war es doch recht mühsam. Dafür war ich abends glücklich, als ich gesehen habe, wie braun (teilweise auch rot) ich geworden bin :)
Dienstag ging es dann zur "Lady of Lebanon", der großen Marienstatue Harissa. Sie liegt auf einem Berg, sodass man mit einer Gondel hochfahren muss und dabei den genialen Ausblick auf Beirut, Jounieh und das Meer genießen kann. Später ging es dann weiter nach Byblos, wo wir Ruinen (unter anderem ein recht kleines, niedliches Amphitheater), Fischfossilien, die historischen Märkte und den kleinen Hafen besichtigt haben. Und in Byblos haben wir dann auch endlich einen super Touristenstrand gefunden, wo man ohne Bedenken baden gehen konnte.
Mittwoch wurden wir eingeladen, an einem kleinen Ausflug mit einigen Betreuern und einem Schüler meiner Schule mitzufahren. Und so sind wir in die Berge gefahren, wo wir die Seele baumeln lassen konnten und so richtig entspannt haben. Und als einer unserer Fahrer noch 2 Wasserpfeifen besorgt hat, war die Freude groß. Noch besser wurde es, als alle anfingen zu tanzen. Nachdem wir beim libanesischen Volkstanz zugeschaut hatten, haben Mutti und Vati und Diethelm und Marion dann noch deutsche Standardtänze vorgeführt. Selbst eine Runde Limbo wurde getanzt. Nach dem ausgelassenen und fröhlichen Tanzen und Rauchen ging es zu Kaffee und Kuchen zu meiner Chefin. Sie hatte extra deutschen Apfelkuchen gebacken und der war köstlich!
Ohje...ich hab schon so viel geschrieben. Da versuch ich jetzt mal, mich bisschen kürzer zu fassen. Donnerstag waren wir dann noch in einer Grotte und in einem voll interessanten Museum der Hizbollah. Dort wird erklärt, wie sich der libanesische Widerstand gegen Israel geformt hat und man kann noch Waffen, Panzer und Bunker vom Krieg 2006 anschauen. Außerdem werden dort Kriegsstrategien und Strukturen der israelischen Armee aufgezeigt- ganz zum Ärger Israels natürlich. Aber man muss die Sache halt auch ein bisschen kritisch betrachten, denn die Hizbollah nutzt das Museum auch als Propagandamittel.
Freitag waren wir dann noch ein bisschen in der Stadt bevor es um Mitternacht zurück zum Flughafen ging und wir Abschied nehmen mussten. Vorher hatte ich passenderweise noch ein kleines Chaos im Bad angerichtet. Das Rohr unter dem Waschbecken ist nämlich abgefallen als ich dran gestoßen bin und  so durfte Vati nochmal als Klempner und Putzfrau ran ;) So verflog aber auch die erste gedrückte Stimmung, bis es dann wirklich hieß Abschied nehmen und nun alle traurig waren. Das war richtig doof. Wir hatten alle eine richtig schöne und lustige Woche und ich habe gemerkt, dass mir hier im Libanon eigentlich nix fehlt außer meiner Familie und meinen Freunden. Um kurz nach 12 haben wir uns dann also verabschiedet und sind in unterschiedliche Richtungen gegangen. Meine Eltern und Schmidts zu ihrem Terminal auf dem Flughafen, von wo aus sie nach Deutschland geflogen sind und ich bin zurück zum Hotel gefahren und habe dort noch eine Nacht allein verbracht. Es war echt ein schöner Urlaub und liebe Mutti, lieber Vati, lieber Diethelm, liebe Marion und liebe Anne, ich freu mich wenn ihr mich mal wieder besuchen kommt. Das nächste Mal dann ja vielleicht in Kuba, der Mongolei oder im Iran ;)







Siham und ich vor dem Märtyrerdenkmal im Hizbollah-Museum

Samstag, 20. April 2013

Jordanien!!

1 Woche Jordanien. 1 Woche… das klingt so furchtbar kurz. Und tatsächlich ist die Zeit in Amman, das Zwischenseminar, vergangen wie im Flug. Aber all die Eindrücke, die Erlebnisse- im Rückblick erscheint es mir fast unmöglich, so viel Neues aufgenommen und dabei gleichzeitig so viel Altes verarbeitet zu haben.
Gleich bei unserer Ankunft hat Jordanien mich überrascht. Ich hatte Hitze und weite Wüste erwartet, einen leicht chaotischen Straßenverkehr wie bei uns im Libanon, bunte Menschenmengen, Beduinen mit ihren Kamelen, typisch arabische Märkte in denen es nach Gewürzen, Essen und auch leicht nach Schweiß riecht und und und. Nichts von alledem bekam ich auf den ersten Blick zusehen. Beim Aussteigen aus dem Flieger war von Sonne nichts zu sehen, es war total bewölkt und ziemlich frisch. Und auf der anschließenden Autofahrt vom Flughafen zu unserer Herberge, habe ich mich an Europa erinnert gefühlt. Die Straßen waren super, Verkehrsregeln wurden eingehalten und generell war auf der Schnellstraße nicht wirklich viel los.  Und von der Wüste Jordaniens war auch noch nichts zu sehen- um uns weite grüne Wiesen auf denen Ziegen und Schafe grasten.  Und als wir nach kurzer Zeit nach Amman kamen und einiges der Stadt sehen konnten, hatte ich das Gefühl, jedes Viertel, jedes Haus sähe gleich aus. Das sollte Jordanien sein? Zum Glück wurde mein erster Eindruck (ich muss zugeben, in der ersten Stunde erschien mir Jordanien überhaupt nicht spannend) bald widerlegt.
In Jordanien gelten mehr als die Hälfte der Bevölkerung (6.Mio) als Flüchtlinge, die meisten davon stammen aus dem Irak, Palästina und Syrien. Es ist schon beeindruckend, wenn man sich überlegt, dass all diese Flüchtlinge eine große Herausforderung für das Königreich darstellen und Jordanien trotzdem so hoch entwickelt ist und so wohlhabend scheint. Geschlafen haben wir im Gasthaus einer jordanischen Schule für arme Kinder, in der auch unser Seminar stattfand. Das riesige Schulgelände lag direkt neben einem palästinensischen Flüchtlingslager. Mittlerweile ist das Flüchtlingslager („Muchaiem“) so groß, dass es gemeinsam mit der Schule als eigenes Viertel von Amman gilt. Das Flüchtlingslager ist aber nicht so eine riesige Zeltstadt, wie man das oft in Bildern sieht. Viele der dort lebenden Palästinenser sind schon seit 1948 da und  haben sich ein neues, wenn auch einfaches Leben aufgebaut. Die meisten leben in kleinen Häusern/Hütten, die irgendwie alle zusammenzuhängen scheinen. Das Lager betreten konnten wir aus verschiedenen Gründen leider nicht.
Da wir schon am Montag angekommen sind und das Seminar erst Donnerstag beginnen sollte, hatten wir also den ganzen Dienstag und Mittwoch Zeit, um das Land zu erkunden. Wir haben uns sofort ein Auto gemietet und sind losgefahren. Nur leider kannten wir die jordanischen Verkehrsregeln noch nicht so gut und wussten auch nicht, dass aller paar Kilometer Polizisten mit Radarkontrolle stehen. Also durften wir nach nur 20 Minuten Fahrt schon Strafe für zu schnelles Fahren zahlen. Aber mit umgerechnet rund 25€ sind wir da noch gut weggekommen. ;)
Insgesamt waren die ersten 2 Tage in Jordanien auch meine Gelegenheit, das Land von der Seite kennen zu lernen, die ich mir vorgestellt hatte. Hier die Eindrücke:  

Schon unterwegs zum Toten Meer und zur Wüste haben wir die ersten Kamele gesehen...
...und Esel natürlich auch


Das Tote Meer!
Leider kann es in arabischen Ländern wie dem Libanon oder Jordanien unangenehm werden, wenn man als Tourist den öffentlichen Strand besucht, besonders Bikinis und Badeanzüge werden meist nicht gern gesehen.  Also sollte man wirklich immer an einen privaten Strand gehen, dort ist man geschützt vor neugierigen Blicken, abfälligen Bemerkungen oder aufdringlichen Männern. Oft ist das extrem teuer, aber dafür kann man auch in Ruhe baden und Sonne tanken!
Im Toten Meer zu baden ist echt 'ne coole Erfahrung, vorausgesetzt, man bekommt kein Wasser in die Augen und hat keine Narben oder Wunden, denn das brennt höllisch. Einfach nichts machen und im Wasser schweben- es war toll! Und es tut wirklich gut, meine Haut hat sich Tage hinterher noch weicher angefühlt, als durch jedes Eincremen. 
Aber trotzdem ist es auch schön, nach dem Bad im Meer in einen Pool zu steigen, der kein Salz enthält und bei dem man nicht aufpassen muss, kein Wasser zu schlucken oder nicht zu Tauchen. 

Auch wenn das Foto total langweilig aussieht. Für mich ist es was Besonderes, die Berge die im Hintergrund zu erkennen sind zeigen die andere Seite des Toten Meeres und damit Israel! Jetzt kann ich behaupten, Israel immerhin schon mal gesehen zu haben :) Auch wenn ich im Libanon nur einen Katzensprung von Israel entfernt bin, ist es mir unmöglich, ohne größere Umstände dorthin zu reisen. Mit einem israelischen Stempel im Pass könnte ich nie wieder in den Libanon einreisen, da die Länder immer noch sehr große Probleme miteinander haben (..das ist noch nett ausgedrückt).

Und nachher ging es noch ein Stück in die Wüste. Es war einfach beeindruckend...


Am 2. Tag ging es dann nach "Jerash". Das ist eine noch recht gut erhaltene antike Stadt aus Zeiten der römischen Herrschaft, die zwischen dem 1. und 2. Jahrhundert nach Christus errichtet wurde. Einige Elemente, wie z.B. der Marktplatz, ein Triumphbogen zu Ehren des römischen Kaisers, 2 Tempel und Theater sowie eine Straße, die von Säulen begrenzt wird, sind noch beeindruckend gut erhalten. So fühlt man sich beim Besichtigen knapp 2 Jahrtausende in der Zeit zurück versetzt. 

Beim Triumphbogen wurde 2008 ein bisschen nachgeholfen. Er war halb zerstört und wurde mit Originalsteinen wieder vollständig aufgebaut.


Im Theater haben sogar Musiker für die Besucher gespielt :)

Und zwischen den Ruinen liefen tatsächlich Schafe und Ziegen herum!

Am Mittwoch begann dann schon das Seminar, in dem wir uns hauptsächlich über unsere bisherigen Erfahrungen ausgetauscht haben und überlegt haben, wie wir den Rest unseres Freiwilligendienstes gestalten können. Letztendlich waren es aber die gemeinsamen Abende am Feuer, ein Barbesuch in Amman und ein Tag im Klettergarten, die ich am besten an dem Seminar fand ;)


Als ich den Klettergarten gesehen habe, war ich mir ziemlich sicher: "Das schaff ich nie!" Meine sportlichen Fähigkeiten haben im Libanon nicht gerade zugenommen und von daher haben mir einige Elemente doch ordentlich Respekt verschafft. Aber mit ein bisschen Anstrengung und (ganz wichtig!) vielem Einander-Helfen  habe selbst ich den Hochseilgarten gut überlebt. 

 Wenig elegant, aber am Ende bin ich ohne runter zu fallen über die Reifen gekommen.



Jeder musste auf diesen 10m hohen Baumstamm klettern...

...um sich dann gleich wieder runter zu stürzen! War ein sehr schönes Gefühl, nachher wieder festen Boden unter den Füßen zu haben ;)

Und das sind wir, die Seminarteilnehmer aus Jordanien und dem Libanon:
Es war eine wirklich schöne Woche!