Montag, 17. Juni 2013

Veränderungen

Die Zeit rast. Das ist mir in den letzten Tagen und Wochen erst so richtig bewusst geworden. Noch 1 Woche und das Schuljahr hier im Libanon geht zu Ende. Bis in einem Monat muss ich mir überlegen, was ich in den nächsten Jahren mit meinem Leben anfangen will, denn dann ist Bewerbungsschluss für die meisten Unis.  Noch 1 ½ Monate und mein Auslandsjahr ist vorbei. Aber da vor der Zukunft erst Vergangenheit und Gegenwart kommen, schreibe ich euch jetzt mal von den letzten, sehr geschäftigen Wochen hier im Libanon.
Die Raketenanschläge sind vorbei gegangen, ohne dass hier der von vielen vorhergesagte Bürgerkrieg ausgebrochen ist. In der Bekaa-Ebene hat es zwar noch mehrmals Raketen geregnet und auch in Tripoli wird noch gekämpft, doch in Beirut ist es bis auf eine größere Demonstration vor der iranischen Botschaft ruhig geblieben. Dass sich die Lage, die nach außen hin recht ruhig scheint, trotzdem verändert hat, merkt man daran, dass über unseren Köpfen jetzt öfter mal ein UN-Hubschrauber fliegt und nicht mehr nur die israelischen Armeeflugzeuge. Oder auch daran, dass wir Freiwilligen jetzt spätestens abends um 10 Uhr zurück sein müssen, wenn wir irgendwo unterwegs waren. Und selbst einige von unseren Bekannten bleiben abends jetzt eher zu Hause als noch wegzugehen.
Das Chaos im Land ist (zum Glück!!) vorerst ausgeblieben, dafür hat es in der Schule umso mehr Einzug gehalten. Letzte Woche war zum Beispiel Prüfungswoche, in der jede Klasse in sämtlichen Fächern Abschlussarbeiten geschrieben hat. Nebenbei mussten für jeden Schüler eine Art Jahresabschlussbericht, ein extra Bericht für die Eltern und dann manchmal noch einer für die Therapeuten geschrieben werden. Und gerade bereiten wir eine große Schuljahresabschlussfeier vor. Einige Schüler haben auch noch an den libanesischen Schülerparalympics im Schwimmen teilgenommen und waren super gut, in der Gesamtbewertung hat unsere Schule Gold erhalten! Außerdem haben wir zusammen mit einer anderen Schule einen Videoclip gedreht, der in ein paar Medien hier ausgestrahlt werden und das Bewusstsein für seelen-pflegebedürftige Menschen im Libanon wecken soll. Es ist kaum vorstellbar, aber wahr: Viele Leute hier können kaum mit körperlich oder geistig beeinträchtigen Menschen umgehen, da sie noch nie welchen begegnet sind, eine Integration in die Gesellschaft findet kaum statt. Unsere Direktorin hat uns sogar erzählt, dass viele Eltern ihre pflegebedürftigen Kinder richtiggehen wegsperren, weil sie sich schämen und vor dem Urteil der Gesellschaft fürchten. Das ist nicht nur erschreckend sondern wirklich traurig, denn wer schon mit diesen Menschen gearbeitet oder gelebt hat, wird bemerkt haben, wie viel Licht und Freude sie ins Leben bringen.
Über dieses Thema, also Heilpädagogik und die Integration von Seelen-Pflegebedürftigen in die Gesellschaft, halten wir Freiwilligen nächste Woche auch einen Vortrag vor dem Lehrerkollegium. Für unsere Arbeit hier war es wichtig, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen und so haben wir Bücher und Artikel gelesen, ein paar Vorträge angehört und einmal pro Woche mit unserer Chefin zusammengesessen und darüber diskutiert. Unsere Erkenntnisse sollen wir jetzt selbst in einem Vortrag verarbeiten. Aber schon allein das Wort „Vortrag“ klingt irgendwie trocken und zu sehr nach dem üblichen Schulkram, deshalb wollen wir das Ganze als kleines Theaterstück aufbauen. Ich sag euch dann nächste Woche, wie es geklappt hat ;)
Und dann gab es noch ein paar große Veränderungen in unserer Residence. Vor 2 Wochen war ein Feng Shui Trainer an der Schule und hat festgestellt, dass unser Raumklima ganz schlecht sei, unsere Einrichtung löse eine ganz unangenehme Atmosphäre aus. Aber zum Glück hatte er ein paar gute Tipps dabei, um das Problem zu lösen. Die Tipps wurden dann in Windeseile in einer kleinen, spontanen Chaosaktion am vorigen und diesem Wochenende umgesetzt. Letzten Freitag kam ich gerade von der Arbeit, da hieß es: „Räumt ganz schnell euren Schrank aus, der muss umgestellt werden“. Alle Kleiderschränke standen bis dahin aus Platzgründen immer im Flur vor den Zimmern. Jetzt stehen sie im Salon, neben dem Fernseher. Wenn ich also duschen oder mich umziehen will, dann lauf ich erst eine Runde durch den Flur und den Essensraum bis ich im Salon bin, wo meistens jemand Fernsehen schaut und mir dann zusieht, wie ich aussuche, was ich als nächstes anziehen will. Aber es wurden nicht nur Schränke umgeräumt. Auch Tische und Sportgeräte und Essen und und und. Außerdem wurde großer Hausputz gemacht und jetzt blinkt und glänzt alles hier wie neu.
Als Siham und ich dann gestern Morgen aufgestanden sind, und uns in unseren Schlafsachen auf den Weg zum Kleiderschrank machen wollten, wurden wir ziemlich ungewöhnlich begrüßt. Wir mussten nicht mal unsere Zimmertür aufmachen. Die war nämlich schon auf, ein Maler stand davor und war dabei, den Türrahmen in einem gute Laune weckendem Lila zu streichen. So wird man ja nicht jeden Morgen geweckt, aber ich kann euch sagen, so eine Überraschung macht auf einen Schlag hellwach. Und wo die Maler schon mal dabei waren, hat auch noch das Esszimmer eine neue Farbe bekommen und strahlt jetzt in einem frischen grün.
Auch wenn ich die Art und Weise der ganzen Neuerungen in der Residence bisschen ungewöhnlich fand, find ich ehrlich, dass es hier wohnlicher geworden ist. Alles neu, alles frisch und alles schön. Der Feng Shui Trainer hatte recht, jetzt bekommt man wirklich gute Laune wenn man durch unsere Residence geht. :) 
Euch allen eine gute Woche!




Die Schüler waren unendlich glücklich und stolz auf ihre gewonnen Medaillen beim Schwimmwettkampf! :)

...unsere lila Tür :)

 Das letzte Wochenende haben wir ganz der Garten - und Hausarbeit gewidmet:



Beirut by Bike - was gibt es Schöneres, als im Sonnenschein am Meer entlang zu radeln?

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