Dienstag, 16. Juli 2013

Der Schmetterling

„Essen, essen und noch mehr essen. Das machen Raupen den lieben, langen Tag. Bis sie irgendwann dick und kräftig genug sind und sich verpuppen. Dann nehmen sie während des ganzen Puppenstadiums überhaupt keine Nahrung mehr zu sich, sie „fasten“ praktisch. Manchmal dauert das nur eine Woche, manchmal aber auch bis zu vier. Und am Ende, wenn die Phase des Essens und die der Verpuppung vorbei sind, schlüpft ein schöner, eleganter Schmetterling aus dem Kokon und breitet langsam seine Flügel aus, um davon zu fliegen.“
Diese Worte folgten auf meine Frage „Und warum genau fastet ihr Muslime jetzt eigentlich, mal abgesehen davon, dass der Koran es vorschreibt?“, die ich einem guten Kollegen vor einer Weile gestellt habe. Und sie haben mich ganz schön zum Nachdenken angeregt. Am letzten Dienstag hat hier nämlich der Ramadan, der Fastenmonat der Muslime, begonnen. Das heißt, dass 30 Tage lang Muslime in aller Welt von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang weder essen, noch trinken, noch rauchen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr alle schon davon gehört habt. Auf jeden Fall habe ich mich dazu entschlossen, mitzufasten. Erst wollte ich ja eigentlich nur so ein, zwei Tage lang probieren, ob ich genug Willen und Disziplin habe, um es durchzuhalten. Mittlerweile ist schon eine Woche daraus geworden und ich möchte unbedingt weiter machen. Am ersten Fastentag habe ich noch mit ungestilltem Appetit und Durst gekämpft, aber beides war schon am zweiten Tag überhaupt kein Problem mehr. Es ist nämlich gar nicht so schwer, wie ich es mir vorgestellt habe. Das Einzige, was wirklich nervt, ist, dass ich langsam merke, wie ich meinen Elan und meine Energie verliere. Ich brauche mehr Schlaf als vorher und habe ständig das Gefühl, mich kurz ausruhen zu müssen.
Im Libanon beginnt das Fasten jeden Tag so um ca. 4 Uhr morgens. Viele stehen deshalb um 3 Uhr nachts auf, um noch schnell etwas Kleines zu essen, zu trinken oder zu beten. Bei mir gewinnt jede Nacht auf’s Neue die Müdigkeit und ich trinke nur schnell ein Glas Wasser, was immer griffbereit neben dem Bett steht. Abends um  ca. 20.15 wird dann das Fasten gebrochen, traditionell mit einer Dattel. Das ist der mit Abstand tollste Moment des Tages. Schon früh morgens wenn ich aufstehe, freue ich mich darauf. Wenn wir so kurz nach 20 Uhr mit unserer Arbeit fertig sind, beginnt in der Küche und auf der Terrasse schon ein reges Treiben. Alle helfen mit, das Essen in das gute Geschirr, was sonst nur zu besonderen Anlässen genutzt wird, einzufüllen; den Tisch zu decken; Saft einzufüllen und alles schön herzurichten. Aber sobald das erste „Allahuakbar“ („Gott ist groß“) ertönt, welches das Abendgebet einläutet, wird es langsam ruhig. Jeder dankt im Stillen für das gegebene Essen und bricht das Fasten mit einer Dattel. Danach gibt es immer einen Teller Suppe, bevor wir uns über leckere, typisch libanesische Speisen hermachen. Normalerweise reicht mir schon ein Teller und ich bin pappe satt. Außerdem muss immer ein bisschen Platz für das Obst, das Dessert und meinen geliebten arabischen Kaffee im Magen bleiben, welche am späten Abend noch folgen. Bevor es dann irgendwann nach einem Abend voller guter Gespräche und leckerem Essens ins Bett geht, stehen erst alle nochmal in der Küche vor dem Wasserspender Schlange. Schließlich ist es wichtig, aufzupassen, genügend zu trinken, sonst kann man sich am nächsten Fastentag auf Kopfschmerzen einstellen.
Ich kann euch sagen, ich liebe diese Abende eines jeden Fastentages. Es ist so schön, mit allen zusammen draußen zu sitzen und gemeinsam das Fasten zu brechen. Und jeden Abend denke ich, dass mir eine Mahlzeit nie besser geschmeckt hat als in diesem Moment. Das Fasten lehrt mich nicht in erster Linie zu verzichten, sondern zu genießen und über die Erfahrung bin ich wirklich froh. Nebenbei lerne ich auch noch, ein bisschen libanesisch zu kochen. Wir bereiten das Essen immer schon in unserer Mittagspause vor und zaubern dabei die leckersten Salate, Fleischgerichte und Desserts. Ich versuche, mir die Rezepte gut einzuprägen, damit ich meine Freunde und Familie in Deutschland dann damit bekochen kann :)


Ich würde so gern noch Bilder hochladen, in letzter Zeit habe ich so viele Schöne gemacht. Aber leider ist unser Internet viel zu langsam, die letzte Woche hat es gar nicht funktioniert. Ihr müsst also noch 3 Wochen warten, dann lade ich die Bilder von Deutschland aus hoch. 

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