Samstag, 28. September 2013

Vom libanesischen Arak zum französischen Champagner

Wow...schaue ich ein Jahr zurück, dann habe ich gerade meinen ersten Monat im Libanon hinter mir. Wenn ich daran denke, wird mir irgendwie ganz komisch. Ich kann noch immer kaum glauben, dass mein Erlebnis "Libanon" erst mal vorbei ist. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich kein Bild in der Hand halte und wehmütig zurück denke. Ich ertappe mich auch ständig dabei, den Libanon mit Europa zu vergleichen. Ich muss mich dann immer selber dran erinnern, dass solche Vergleiche mich entweder nicht weiterbringen oder manchmal auch total unangebracht sind, weil jedes Land eine andere Geschichte, Bevölkerung und Kultur hat. Letztendlich hat wohl jedes Land seine Vor- und Nachteile und ein kluger Freund hat mal zu mir gesagt: "Das Problem am Reisen ist, dass man nie wieder richtig zu Hause ankommt, wenn man einmal damit angefangen hat. Denn überall wo man einmal war, lässt man ein Stück von seinem Herz zurück." Und er hatte so Recht. Im Libanon habe ich einiges an Deutschland vermisst. In Deutschland werde ich jetzt immer einige Dinge aus dem Libanon vermissen. Aber wenn wir schon beim Reisen sind... ich hatte ja versprochen, euch noch zu sagen, was ich nach dem Freiwilligendienst, also quasi jetzt, mache. Den Studienplatz in Dresden habe ich leider nicht bekommen. Aber der war mir so wichtig, dass ich mich noch einmal darum bewerben möchte und erstmal nix anderes studiere. Und als Alternative hat sich durch einen ziemlich glücklichen Zufall ein Praktikumsplatz in Frankreich ergeben. Vielleicht kennt ihr HOLTEC, die Firma, die Sägeanlagen herstellt. Und über diese Firma leiste ich das Praktikum in einer Zweigstelle  in Vitry-la-Francois, in der nordfranzösischen Region Champagne, und zwar ein Jahr lang. Am 1. Oktober ist mein erster Arbeitstag und diesen Blogeintrag schreibe ich schon von meiner ersten eigenen, französischen Wohnung aus. Mutti und Vati sind vor ein paar Tagen mit mir nach Frankreich gefahren und haben mir geholfen, die Wohnung einzurichten und alles Nötige zu organisieren. Allein hätte ich das alles gar nicht geschafft, das war echt nicht so einfach! Natürlich haben wir auch schon die Gegend erkundet. Mit dem Fahrrad sind wir um den größten französischen Stausee gefahren, zu Fuß sind wir über Weinberge spaziert und haben uns zeigen lassen, wie Champagner hergestellt wird. Verkostet haben wir natürlich auch ein bisschen ;)
Also, wer von euch in den nächsten 12 Monaten seinen Urlaub in der Champagne verbringen möchte, ist herzlich willkommen!
Das war dann jetzt aber wirklich mein allerletzter Blogeintrag! Über mein Jahr in Frankreich werde ich nicht schreiben, aber wer trotzdem wissen möchte, was ich so mache oder einfach Lust hat mir zu schreiben, hier ist meine Mailadresse: laura.kunzendorf@web.de. Ich freu mich immer über Post!
Tschüss! Ma'a-ssalame! Au revoir!

Mittwoch, 31. Juli 2013

Die letzten Bilder...

Hier noch die versprochenen Bilder der letzten Wochen :)

Beim Fastenbrechen am Freitag hatte ich nochmal einen richtig schönen Abend mit den Leuten, die mich das ganze Jahr über begleitet und in der Residence mit mir zusammen gewohnt und gearbeitet haben.





Yousuf wird mir so doll fehlen! Ich kann mir gar nicht vorstellen, ihn tagsüber nicht mehr an meiner Seit zu haben. 

Am letzten Schultag durften sich die Schüler in alle möglichen Kreaturen verwandeln und hatten jede Menge Spaß dabei ;)


Am Ende des Jahres haben Abed und ich noch einmal kräftig im Workshop gearbeitet und viele schöne Ketten fertig bekommen.

Die schönsten Momente aus dem Sommercamp:
 


Na, wer will Mohamed denn hier an den Kragen? ;)










& was kommt dann?

Aus. Ende. Vorbei. Das war also mein Jahr im Libanon, ich kann es kaum glauben aber ich bin wieder in Deutschland. Gestern Abend haben mich Mutti und Vati vom Flughafen abgeholt und als tolle Überraschung noch Jana, Schmidts und viele Luftballons mitgebracht. Vielen Dank für diesen schönen und herzlichen Empfang!
Mein letztes Wochenende war ein richtig toller Abschluss meines Auslandsjahres. Am Freitagabend wurden sämtlich Angestellte der Schule sowie Eltern und Freunde der Direktorin zum großen "Iftar" eingeladen. Das Iftar ist das tägliche Fastenbrechen am Abend jedes Ramadantages und am Freitag haben wir daraus eine richtig schöne, große Feier gemacht und wir Freiwilligen hatten Gelegenheit, uns von allen zu verabschieden. Den Samstag danach hat Siham extra freibekommen, um mit mir noch einen letzten Tag in Beirut zu verbringen. Wir waren an all unseren Lieblingsplätzen, sind am Meer entlang spaziert und haben auf dem Markt Souvenirs gekauft. Den Tag haben wir dann auf der Terrasse unter dem Sternenhimmel ausklingen lassen, und haben uns die schönsten Momente des Jahres nochmal in Erinnerung gerufen. Den Sonntag und Montag habe ich hauptsächlich mit den Schülern und Kofferpacken verbracht. Die ganze Zeit über war ich hin- und her gerissen zwischen meiner Vorfreude auf zu Hause, meine Familie und meine Freunde und meiner Traurigkeit darüber, mein neu gewonnenes zu Hause verlassen zu müssen. Als ich mich dann am Dienstag endgültig verabschieden musste, kamen einige Tränen. Aber spätestens als ich von meinen Eltern, Schmidts und Jana so lieb am Flughafen begrüßt wurde, kam die Freude zurück :)
Jetzt bin ich also wieder da und die ganze Zeit höre ich in Dauerschleife die Zeilen "Und was kommt dann? Was ist der Titel vom nächsten Kapitel?" von den Sportfreunden Stiller in meinem Ohr. Und die Frage stell ich mir tatsächlich. Was kommt jetzt? Schon seit einer ganzen Weile begeistere ich mich für den Studiengang Internationale Beziehungen in Dresden und habe mich da natürlich auch dort beworben. Aber der Studiengang ist so beliebt, dass wohl nur 5% aller Bewerber angenommen werden. Am Freitag muss ich deshalb zu einem Auswahlgespräch und einem Französisch- und Englischtest. Dieses Gespräch ist wirklich wichtig für mich und auch der Grund dafür, dass ich jetzt schon zurückgekommen bin und nicht bis Ende August im Libanon geblieben bin. Drückt mir die Daumen, dass es klappt, ja? Falls es in Dresden nichts wird, dann weiß ich ehrlich gesagt auch noch nicht, was ich mache. Ich habe zwar viele interessante Pläne B, aber sooo sehr wie das Studienfach Internationale Beziehungen begeistern die mich alle nicht. Sobald ich Bescheid weiß, wie ich das nächste Jahr verbringe, lasse ich es Euch aber wissen.
Zum Abschluss würde ich ja gern noch ein paar abschließende Worte über mein Auslandsjahr schreiben, aber wie soll man auch ein ganzes Jahr in ein paar kurzen Sätzen zusammenfassen? Ich glaube, wenn ihr ab und zu in meinen Blog geschaut habt, dann habt ihr ganz gut miterlebt, wie es mir ergangen ist. Ich bin auf jeden Fall froh und unendlich dankabr, dass ich die Chance hatte, so ein aufregendes Jahr zu erleben und würde es sofort wieder machen!
Gerade fühle ich mich noch ein bisschen so, als wäre nur mein Körper hier in Deutschland angekommen und mein Kopf und Herz würden noch im Libanon sein. Aber ich werd' mich schon wieder einleben ;)
Am Ende geht noch ein großes Dankeschön an alle, die mich dieses Jahr so toll unterstützt haben!

Dienstag, 16. Juli 2013

Der Schmetterling

„Essen, essen und noch mehr essen. Das machen Raupen den lieben, langen Tag. Bis sie irgendwann dick und kräftig genug sind und sich verpuppen. Dann nehmen sie während des ganzen Puppenstadiums überhaupt keine Nahrung mehr zu sich, sie „fasten“ praktisch. Manchmal dauert das nur eine Woche, manchmal aber auch bis zu vier. Und am Ende, wenn die Phase des Essens und die der Verpuppung vorbei sind, schlüpft ein schöner, eleganter Schmetterling aus dem Kokon und breitet langsam seine Flügel aus, um davon zu fliegen.“
Diese Worte folgten auf meine Frage „Und warum genau fastet ihr Muslime jetzt eigentlich, mal abgesehen davon, dass der Koran es vorschreibt?“, die ich einem guten Kollegen vor einer Weile gestellt habe. Und sie haben mich ganz schön zum Nachdenken angeregt. Am letzten Dienstag hat hier nämlich der Ramadan, der Fastenmonat der Muslime, begonnen. Das heißt, dass 30 Tage lang Muslime in aller Welt von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang weder essen, noch trinken, noch rauchen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr alle schon davon gehört habt. Auf jeden Fall habe ich mich dazu entschlossen, mitzufasten. Erst wollte ich ja eigentlich nur so ein, zwei Tage lang probieren, ob ich genug Willen und Disziplin habe, um es durchzuhalten. Mittlerweile ist schon eine Woche daraus geworden und ich möchte unbedingt weiter machen. Am ersten Fastentag habe ich noch mit ungestilltem Appetit und Durst gekämpft, aber beides war schon am zweiten Tag überhaupt kein Problem mehr. Es ist nämlich gar nicht so schwer, wie ich es mir vorgestellt habe. Das Einzige, was wirklich nervt, ist, dass ich langsam merke, wie ich meinen Elan und meine Energie verliere. Ich brauche mehr Schlaf als vorher und habe ständig das Gefühl, mich kurz ausruhen zu müssen.
Im Libanon beginnt das Fasten jeden Tag so um ca. 4 Uhr morgens. Viele stehen deshalb um 3 Uhr nachts auf, um noch schnell etwas Kleines zu essen, zu trinken oder zu beten. Bei mir gewinnt jede Nacht auf’s Neue die Müdigkeit und ich trinke nur schnell ein Glas Wasser, was immer griffbereit neben dem Bett steht. Abends um  ca. 20.15 wird dann das Fasten gebrochen, traditionell mit einer Dattel. Das ist der mit Abstand tollste Moment des Tages. Schon früh morgens wenn ich aufstehe, freue ich mich darauf. Wenn wir so kurz nach 20 Uhr mit unserer Arbeit fertig sind, beginnt in der Küche und auf der Terrasse schon ein reges Treiben. Alle helfen mit, das Essen in das gute Geschirr, was sonst nur zu besonderen Anlässen genutzt wird, einzufüllen; den Tisch zu decken; Saft einzufüllen und alles schön herzurichten. Aber sobald das erste „Allahuakbar“ („Gott ist groß“) ertönt, welches das Abendgebet einläutet, wird es langsam ruhig. Jeder dankt im Stillen für das gegebene Essen und bricht das Fasten mit einer Dattel. Danach gibt es immer einen Teller Suppe, bevor wir uns über leckere, typisch libanesische Speisen hermachen. Normalerweise reicht mir schon ein Teller und ich bin pappe satt. Außerdem muss immer ein bisschen Platz für das Obst, das Dessert und meinen geliebten arabischen Kaffee im Magen bleiben, welche am späten Abend noch folgen. Bevor es dann irgendwann nach einem Abend voller guter Gespräche und leckerem Essens ins Bett geht, stehen erst alle nochmal in der Küche vor dem Wasserspender Schlange. Schließlich ist es wichtig, aufzupassen, genügend zu trinken, sonst kann man sich am nächsten Fastentag auf Kopfschmerzen einstellen.
Ich kann euch sagen, ich liebe diese Abende eines jeden Fastentages. Es ist so schön, mit allen zusammen draußen zu sitzen und gemeinsam das Fasten zu brechen. Und jeden Abend denke ich, dass mir eine Mahlzeit nie besser geschmeckt hat als in diesem Moment. Das Fasten lehrt mich nicht in erster Linie zu verzichten, sondern zu genießen und über die Erfahrung bin ich wirklich froh. Nebenbei lerne ich auch noch, ein bisschen libanesisch zu kochen. Wir bereiten das Essen immer schon in unserer Mittagspause vor und zaubern dabei die leckersten Salate, Fleischgerichte und Desserts. Ich versuche, mir die Rezepte gut einzuprägen, damit ich meine Freunde und Familie in Deutschland dann damit bekochen kann :)


Ich würde so gern noch Bilder hochladen, in letzter Zeit habe ich so viele Schöne gemacht. Aber leider ist unser Internet viel zu langsam, die letzte Woche hat es gar nicht funktioniert. Ihr müsst also noch 3 Wochen warten, dann lade ich die Bilder von Deutschland aus hoch. 

Donnerstag, 27. Juni 2013

Das Ende meiner Schulzeit!

Das letzte Schuljahr meines Lebens ist zu Ende. 12 Jahre lang habe ich Schule mit dem Blickwinkel einer Schülerin betrachtet. Nun habe ich auch 1 Jahr lang erlebt, wie es ist, wenn man vor der Tafel steht, anstatt mitten unter den Schülern hinter der Schulbank zu sitzen. Beide Erfahrungen haben mich manchmal gestresst und genervt, aber beide haben mir auch genau so viel Freude bereitet und mich so unendlich viel gelehrt. Ich glaube, würde ich nochmal in die Schule zurückgehen, ich würde weniger über von mir ungeliebte Lehrer schimpfen und die umso mehr schätzen, die trotz aufgeregter, quatschender oder langsamer Schüler ruhig bleiben und mit viel Geduld auf diese eingehen. Das ist nämlich gar nicht so einfach. Mutti erinnert sich mit Sicherheit noch daran, wie oft sie mich früher gebeten hat, doch ein bisschen ruhiger und geduldiger zu werden. Wenn ich zurückkomme, wird sie mir das sicher nicht mehr so oft sagen müssen, denn das habe ich hier gelernt.
Anfangs fiel es mir schwer, zu begreifen, dass einige meiner Schüler nicht mit dem Lernstoff mithalten konnten und trotz regelmäßiger Wiederholung und Übung das Gelernte eben einfach nicht in den richtigen Zusammenhang einordnen und im Gehirn abspeichern konnten. Mittlerweile habe ich aber etwas begriffen. Jeder Mensch hat eine andere Wahrnehmung. Und besonders die Schüler an FiSTA erfahren ihre Umwelt durch Schwächen wie Konzentrationsstörung, ADHS, Autismus, Bipolarität, Paranoia etc. in einer ganz speziellen, ihnen eigenen Art und Weise.  Sie nehmen Details intensiver wahr, empfinden Geräusche als lauter und Farben als kräftiger, sind also ständig abgelenkt. Und jetzt stellt Euch mal vor, Ihr müsst eine schwierige Aufgabe lösen. Die Musik ist laut aufgedreht, es riecht nach frisch gekochtem Essen, neben eurem Ohr surrt eine Fliege, jemand spielt unablässig mit seinem Kuli, das Licht über Euch flackert und von irgendwoher hört ihr Stimmen von lachenden Kindern. Könntet ihr Euch konzentrieren? Sicher nicht, und da kann der IQ noch so hoch sein. Ablenkungen, die wir meist nur für kurze Zeit ertragen müssen, erleben viele dieser Kinder die ganze Zeit. Und nachdem ich das einmal begriffen hatte, konnte ich ganz anders auf meine Schüler eingehen. Nachher lief es nicht automatisch besser, aber ich wurde entspannter, ausgeglichener und verzweifelte weniger schnell. Jeder Mensch hat eine andere Wahrnehmung, und das gilt für alle von uns. Ich glaube, wenn man auf andere Menschen eingehen will, muss man das verstanden haben. Nur weil ich etwas fühle, denke, glaube heißt das nicht, dass es meinem Gegenüber genauso geht oder gehen muss.
In der Schule wollte ich meine Schüler bestmöglich unterrichten und das war nicht immer einfach. Es ging nur, wenn ich mich wirklich mit ihnen auseinander gesetzt und versucht habe, zu verstehen, was sie denken und wie sie sich fühlen, ohne sie dabei zu verurteilen oder „abzustempeln“. Ich glaube, das ist etwas, was ich hier fürs Leben gelernt habe.
Jetzt, wo die Schule vorbei ist, arbeite ich als Betreuerin im Sommercamp von FiSTA. Wir haben ein Sommercamp für die älteren Jungen in den Bergen und eins für die Mädchen und jüngeren Schüler, das weiterhin an der Schule stattfindet. Tagsüber gibt es 40 Kinder zu betreuen, zum Schlafen bleiben nur 8. Ich bin hauptsächlich für die 8 verantwortlich, die dauerhaft da sind. Fast alle von ihnen kannte ich vorher gar nicht, denn sie sind extra für das Camp aus Jordanien, Saudi-Arabien oder Kuwait angereist. Und deshalb haben einige, besonders die Mädchen, gerade ziemlich dolles Heimweh und finden es hier gar nicht so schön. Das ist nicht ganz einfach, aber Tränen lassen sich ja trocknen und auch aus Wut kaputt gegangene Stühle kann man reparieren. Ich glaube, es wird ein schöner Sommer wenn sich erst mal alle eingelebt haben. Wir haben sogar einen richtig großen und zwei kleine Swimmingpools mit Liegeweise drum herum aufgebaut, damit ein bisschen Urlaubsgefühl aufkommt.  Und sobald wir den benutzen und nebenbei noch Musik anmachen, ist jedes Heimweh unter den Schülern vergessen und alle haben ein Lächeln im Gesicht.
Das einzig Doofe an dem Sommercamp ist, dass Siham und ich unser altes, chaotisches, gemütliches Zimmer räumen mussten. Siham muss jetzt als Betreuerin im Camp in den Bergen arbeiten und ich sehe sie kaum noch. Ich habe dafür ein eigenes Zimmer bekommen. Eigentlich sollte ich mich voll darüber freuen, aber ohne vor dem Einschlafen mit Siham zu quatschen und ihr nachts beim Reden im Schlaf zuzuhören, ist irgendwie ganz schön langweilig und tris. Wir haben ja nun ein Jahr lang alles geteilt,:unser Zimmer, unser Bad, selbst unsere Kleidung und Schuhe, unsere Freunde. Und da ich hier keine Gastfamilie oder so hatte, ist Siham meine Schwester geworden, die ich jetzt ganz schön vermisse. Ich weiß, dass ich mich dran gewöhnen muss, wenn ich zurück in Deutschland bin ist sie ja auch nicht immer da, um mit mir über die neusten Ereignisse im Libanon und der arabischen Welt zu diskutieren,  zu kochen oder einen –entschuldigt den Ausdruck- kleinen Tritt in den Hintern zu geben, damit ich endlich aufstehe.

Was den Libanon angeht, naja...die letzte Woche war nicht unbedingt fürderlich für die Situation. In Saida, einer Küstenstadt im Süden von Beirut, haben sunnitische Milizen einen Checkpoint angegriffen. Und die Armee hat im Libanon eine besondere Stellung. Das Volk steht geschlossen hinter der Armee, man respektiert die Soldaten, die Armee wird nicht nur geachtet, sie wird ge- und verehrt. Geht man an einem Soldaten vorbei, ist es zum Beispiel üblich, "Gott segne Dich, mein Volk" oder "Gott segne Deine Arbeit" zu grüßen um dessen Arbeit zu ehren. Wenn genau diese Armee also angegriffen wird, dann birgt das einiges an Konfliktpotential. Noch dazu, wenn mindestens 17 Soldaten bei den folgenden Kämpfen sterben und es über 100 Verletzte gibt. Die sunnitischen Angreifer unterstehen Scheich Assir. Ein sunnitscher Prediger, der besonders im Süden des Landes immer mehr Einfluss gewinnt und durch seine leidenschaftlichen Reden, in denen er regelmäßig gegen den Iran, Syrien und die Hizbollah wettert, als "Hardliner" bekannt geworden ist. Zusätzlich zu den Angriffen auf Checkpoints hat Assir in vielen Teilen des Landes Straßensperren errichten lassen und den Verkehr blockiert und teilweise ganz stillgelegt. Mittlerweile hat die Armee das Gebiet um Saida jedoch wieder unter Kontrolle gebracht und man hört nur noch wenig von dort.
Gestern hat dann noch eine Nachrichtenmeldung für Schock und ungläubiges Kopfschütteln gesorgt. Als einer der Beiruter Busse in der Nähe des Nationalmuseums anhielt, um neue Mitfahrer einsteigen zu lassen, stürmten 4 Männer den Bus und gingen mit Messern auf die Insassen los. Ohne jegliche Vorwarnung, ohne Grund. Mir fällt kein anderes Wort als Wahnsinn dafür ein. Das hat nichts mit Politik oder Religion oder inländischen Spannungen zu tun. Das ist purer Wahnsinn. Viele glauben nicht, dass Libanesen die Täter waren. In dieser eh schon kritischen Zeit liegt keinem Libanesen was daran, die Situation noch mehr zu gefährden. Und erst recht nicht durch so eine grundlose, unerklärlich aggressive Messerstecherei. Dabei wurden einige verletzt, gestorben ist -al hamdulilla- aber niemand.
Und ich muss zugeben, dass ich selbst mittlerweile auch vorsichtiger geworden bin und kaum noch richtig weg gehe. In den meisten Ecken ist es zwar ruhig, aber die Unruhen treten so plötzlich auf, dass ich mich nicht unbedingt dem dummen Zufall ausliefern will.
Aber ich hoffe immer noch, dass die Situation nicht eskaliert und sich wieder beruhigt. Und die Möglichkeit besteht, denn wenn ich den Berichten von einigen Freunden glaube, dann sind die libanesischen Sommer seit 2006 regelmäßig spannungsgeladen.
In dem Sinne sage ich Euch hier mal mit viel Hoffnung und Optimismus "Tschüss"! :)

Montag, 17. Juni 2013

Veränderungen

Die Zeit rast. Das ist mir in den letzten Tagen und Wochen erst so richtig bewusst geworden. Noch 1 Woche und das Schuljahr hier im Libanon geht zu Ende. Bis in einem Monat muss ich mir überlegen, was ich in den nächsten Jahren mit meinem Leben anfangen will, denn dann ist Bewerbungsschluss für die meisten Unis.  Noch 1 ½ Monate und mein Auslandsjahr ist vorbei. Aber da vor der Zukunft erst Vergangenheit und Gegenwart kommen, schreibe ich euch jetzt mal von den letzten, sehr geschäftigen Wochen hier im Libanon.
Die Raketenanschläge sind vorbei gegangen, ohne dass hier der von vielen vorhergesagte Bürgerkrieg ausgebrochen ist. In der Bekaa-Ebene hat es zwar noch mehrmals Raketen geregnet und auch in Tripoli wird noch gekämpft, doch in Beirut ist es bis auf eine größere Demonstration vor der iranischen Botschaft ruhig geblieben. Dass sich die Lage, die nach außen hin recht ruhig scheint, trotzdem verändert hat, merkt man daran, dass über unseren Köpfen jetzt öfter mal ein UN-Hubschrauber fliegt und nicht mehr nur die israelischen Armeeflugzeuge. Oder auch daran, dass wir Freiwilligen jetzt spätestens abends um 10 Uhr zurück sein müssen, wenn wir irgendwo unterwegs waren. Und selbst einige von unseren Bekannten bleiben abends jetzt eher zu Hause als noch wegzugehen.
Das Chaos im Land ist (zum Glück!!) vorerst ausgeblieben, dafür hat es in der Schule umso mehr Einzug gehalten. Letzte Woche war zum Beispiel Prüfungswoche, in der jede Klasse in sämtlichen Fächern Abschlussarbeiten geschrieben hat. Nebenbei mussten für jeden Schüler eine Art Jahresabschlussbericht, ein extra Bericht für die Eltern und dann manchmal noch einer für die Therapeuten geschrieben werden. Und gerade bereiten wir eine große Schuljahresabschlussfeier vor. Einige Schüler haben auch noch an den libanesischen Schülerparalympics im Schwimmen teilgenommen und waren super gut, in der Gesamtbewertung hat unsere Schule Gold erhalten! Außerdem haben wir zusammen mit einer anderen Schule einen Videoclip gedreht, der in ein paar Medien hier ausgestrahlt werden und das Bewusstsein für seelen-pflegebedürftige Menschen im Libanon wecken soll. Es ist kaum vorstellbar, aber wahr: Viele Leute hier können kaum mit körperlich oder geistig beeinträchtigen Menschen umgehen, da sie noch nie welchen begegnet sind, eine Integration in die Gesellschaft findet kaum statt. Unsere Direktorin hat uns sogar erzählt, dass viele Eltern ihre pflegebedürftigen Kinder richtiggehen wegsperren, weil sie sich schämen und vor dem Urteil der Gesellschaft fürchten. Das ist nicht nur erschreckend sondern wirklich traurig, denn wer schon mit diesen Menschen gearbeitet oder gelebt hat, wird bemerkt haben, wie viel Licht und Freude sie ins Leben bringen.
Über dieses Thema, also Heilpädagogik und die Integration von Seelen-Pflegebedürftigen in die Gesellschaft, halten wir Freiwilligen nächste Woche auch einen Vortrag vor dem Lehrerkollegium. Für unsere Arbeit hier war es wichtig, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen und so haben wir Bücher und Artikel gelesen, ein paar Vorträge angehört und einmal pro Woche mit unserer Chefin zusammengesessen und darüber diskutiert. Unsere Erkenntnisse sollen wir jetzt selbst in einem Vortrag verarbeiten. Aber schon allein das Wort „Vortrag“ klingt irgendwie trocken und zu sehr nach dem üblichen Schulkram, deshalb wollen wir das Ganze als kleines Theaterstück aufbauen. Ich sag euch dann nächste Woche, wie es geklappt hat ;)
Und dann gab es noch ein paar große Veränderungen in unserer Residence. Vor 2 Wochen war ein Feng Shui Trainer an der Schule und hat festgestellt, dass unser Raumklima ganz schlecht sei, unsere Einrichtung löse eine ganz unangenehme Atmosphäre aus. Aber zum Glück hatte er ein paar gute Tipps dabei, um das Problem zu lösen. Die Tipps wurden dann in Windeseile in einer kleinen, spontanen Chaosaktion am vorigen und diesem Wochenende umgesetzt. Letzten Freitag kam ich gerade von der Arbeit, da hieß es: „Räumt ganz schnell euren Schrank aus, der muss umgestellt werden“. Alle Kleiderschränke standen bis dahin aus Platzgründen immer im Flur vor den Zimmern. Jetzt stehen sie im Salon, neben dem Fernseher. Wenn ich also duschen oder mich umziehen will, dann lauf ich erst eine Runde durch den Flur und den Essensraum bis ich im Salon bin, wo meistens jemand Fernsehen schaut und mir dann zusieht, wie ich aussuche, was ich als nächstes anziehen will. Aber es wurden nicht nur Schränke umgeräumt. Auch Tische und Sportgeräte und Essen und und und. Außerdem wurde großer Hausputz gemacht und jetzt blinkt und glänzt alles hier wie neu.
Als Siham und ich dann gestern Morgen aufgestanden sind, und uns in unseren Schlafsachen auf den Weg zum Kleiderschrank machen wollten, wurden wir ziemlich ungewöhnlich begrüßt. Wir mussten nicht mal unsere Zimmertür aufmachen. Die war nämlich schon auf, ein Maler stand davor und war dabei, den Türrahmen in einem gute Laune weckendem Lila zu streichen. So wird man ja nicht jeden Morgen geweckt, aber ich kann euch sagen, so eine Überraschung macht auf einen Schlag hellwach. Und wo die Maler schon mal dabei waren, hat auch noch das Esszimmer eine neue Farbe bekommen und strahlt jetzt in einem frischen grün.
Auch wenn ich die Art und Weise der ganzen Neuerungen in der Residence bisschen ungewöhnlich fand, find ich ehrlich, dass es hier wohnlicher geworden ist. Alles neu, alles frisch und alles schön. Der Feng Shui Trainer hatte recht, jetzt bekommt man wirklich gute Laune wenn man durch unsere Residence geht. :) 
Euch allen eine gute Woche!




Die Schüler waren unendlich glücklich und stolz auf ihre gewonnen Medaillen beim Schwimmwettkampf! :)

...unsere lila Tür :)

 Das letzte Wochenende haben wir ganz der Garten - und Hausarbeit gewidmet:



Beirut by Bike - was gibt es Schöneres, als im Sonnenschein am Meer entlang zu radeln?

Sonntag, 9. Juni 2013

Heut mal ein bisschen Musik für Eure Ohren an Stelle vom regulären Text für Eure Augen :)

Bis ich meinen nächsten Blog schreibe, habe ich hier einen kleinen Input für euch. Hört euch das Lied bitte an, es wurde von Herzen getextet! Ein Freund, der seinen Freiwilligendienst gerade in Jordanien macht, hat das gerappt.
Jonny - Lebenszeichen
Meine Lieblingstelle: "Meine neuen Freunde sprengen bald das Weiße Haus. Quatsch- nicht jeder Araber ist Terrorist. Mach mal meine Arbeit, dann weißt du was Terror ist."
Und für alle, die mehr hören möchten, gibt es auch noch ein wirklich schönes Weihnachtslied. Stimmt, die Jahreszeit passt dazu nicht wirklich, aber das Lied ist es wert, gehört zu werden.
Jonny feat. Frido- Zünd ein Licht an