Mittwoch, 27. März 2013

Auf Wiedersehen, Herr Miqati...

Heut ist an Fista unser 2. Trimester zu Ende gegangen (das Jahr hier wird nicht in Halbjahre unterteilt).  Und wie es sich am Ende des Trimesters gehört, wurden Zeugnisse ausgeteilt, es gab eine schöne Feier und die Ferien stehen vor der Tür. Leider sind die Ferien ziemlich kurz. Donnerstag bis Montag ist schulfrei, danach müssen alle wieder fleißig lernen. Ostersonntag und -montag werde ich Dania wieder in der Residence betreuen. Sie kann als einzige Schülerin über die Feiertage nicht nach Hause, weil ihre Familie ja in Saudi-Arabien lebt. Aber ich will mit ihr ans Meer fahren, den Reiterhof besuchen und, natürlich, Ostereier suchen. Die Tradition, dass man an Ostern Schokolade, Ostereier oder kleine Geschenke versteckt, ist hier total unbekannt. Aber ich glaube, Dania wird es Spaß machen :)

Und es gibt auch wieder Neues aus der libanesischen Politik: Am letzten Freitag ist unsere Regierung um  Ministerpräsident Nadschib Miqati zurückgetreten. Der sunnitische Miqati konnte sich mit der schiitischen Hisbollah, die auch an der Regierung beteiligt ist, nicht auf die Schaffung einer Wahlaufsichtsbehörde für die im Juni angesetzten Wahlen einigen. Außerdem haben die beiden Parteien darüber gestritten, ob man die Amtszeit des Geheimdienstchefs Ascharf Rifi verlängern soll oder nicht. Die Hisbollah misstraut dem Sunniten Rifi und hat sich gegen die von Miqati vorgeschlagene Amtszeitverlängerung gestellt. Und weil es in Bezug auf diese beiden Themen zu gar keiner Einigung sondern stattdessen zum Streit kam, ist Miqati zurückgetreten.
Zu seinem Rücktritt hat er erklärt, dass er so versuche, " den Weg für eine Regierung zur nationalen Rettung zu ebnen".  Außerdem hat er alle Kräfte des Landes dazu aufgefordert, einen Dialog zu beginnen und  Kompromisse zu finden, um das Land wieder zu stabilisieren.
Denn in letzter Zeit läuft es wirklich nicht so gut für den Libanon. Ein riesiges Problem sind die Flüchtlingsmassen, die seit Monaten aus Syrien in das kleine Land strömen. Auf 4 Millionen Libanesen kommen bisher knapp 400000 Flüchtlinge. Für so ein winziges Land wie den Libanon ist deren Versorgung und Verpflegung eine riesen Herausforderung, die fast unmöglich ohne Hilfe von außen bewältigen werden kann.
Dann kommt noch dazu, dass der Konflikt in Syrien die gesamte libanesische Bevölkerung immer stärker in pro- und anti-syrisch spaltet.
Ich finde, man kann Syrien und den Libanon ein bisschen mit 2 Geschwistern vergleichen. Die Länder sind zwar beide eigenständig, aber scheinbar untrennbar miteinander verbunden. Die Regierungen arbeiten eng zusammen und alles was in Syrien passiert, beeinflusst den Libanon. Geht es Syrien nicht gut, dann leidet auch der Libanon drunter. Ich erinnere mich da zum Beispiel noch an den Bombenanschlag der im Oktober in Beirut verübt wurde. Daran waren angeblich auch Kräfte aus Damaskus beteiligt.
Auf jeden Fall bleibt jetzt erstmal zu hoffen, dass es bis Juni irgendwie zu irgendeiner Einigung in Bezug auf die Wahlaufsichtsbehörde kommt. Denn wenn nicht, werden die Wahlen wohl nach hinten verschoben werden müssen.
Aber ich muss auch dazu schreiben, dass ich eigentlich niemanden getroffen habe, der übelst traurig ist oder sich Sorgen macht, weil Miqati gegangen ist. Viele meinen, dass er eh nicht gut war und einige haben mir auch erklärt, dass der Libanon weder einen Ministerpräsident noch eine Regierung benötige. Hier ist es nämlich so, dass das Meiste sowieso je nach Religion und innerhalb der jeweiligen Konfession geregelt wird. Die Regierung hat also gar nicht soo viel zu sagen.

Ich persönlich mach mir dazu auch nicht wirklich Gedanken. Ich bin im Moment nur damit beschäftigt, mich auf den April zu freuen. Am 8. April fliegen wir 3 Freiwilligen nämlich für eine Woche zum Zwischenseminar nach Jordanien und danach, am 26. April kommen mich Mutti und Vati und Familie Schmidt besuchen :) Ich bin jetzt schon aufgeregt und hoffe, dass alles klappt und gut geht :)

Und falls ihr noch wissen wollt, wie die Sache mit Sami weitergegangen ist: Sie ist nicht mehr in meiner Klasse, wenn ich allein unterrichte. Ich sehe sie also nicht mehr oft und das ist wirklich gut so :)

Dieses Wochenende habe ich leider krank im Bett verbracht. Aber letztes Wochenende war ich mit Siham unterwegs und habe ihre Familie besucht. Und es war total toll. Ich hab mich gefühlt, als wär ich dort selbst ein Familienmitglied.





Und hier mal alle meine 4 (!) Chefinnen zusammen :)
Ganz links, das ist Sandra, in ihrer Klasse arbeite ich. Daneben steht Abeer, sie ist die Verantwortliche für alles, was mit der Residence zu tun hat. Danach kommt Dr. Wali Merhej, die Gründerin der Schule. Sie arbeitet zwar nicht mehr offiziell als Direktorin, aber 
 wenn sie was sagt, dann wird es ohne Widerspruch gemacht ;) Und rechts ist Dr. Reem, ihre Tochter, die eigentliche aktuelle Direktorin der Schule. 

Samstag, 9. März 2013

Zwischen tollen Festen und belastendem Hass

Jetzt ist es ja schon bisschen her, dass ich mich das letzte Mal gemeldet habe. Aber die letzten 2 Wochen galten eigentlich nur der Schule und haben mich nah an meine Grenzen gebracht.
Im Moment herrscht in Fista ein reges Treiben, denn wir bereiten ein großes Fest vor, dass Lehrer, Schüler und deren Eltern zusammen feiern. Dafür werden in den Workshops massenweise Geschenke produziert, die Klassen üben kleine Theaterstücke und Lieder ein und alles wird schön dekoriert und geschmückt. Und nein, das Fest was ich meine ist nicht Ostern. (Ostern scheint hier nicht so wichtig zu sein und wird an unserer Schule erst Ende April gefeiert). Das Fest von dem ich rede, ist der Muttertag, der hier am 21. März statt findet. Wirklich, ich finde es total beeindruckend wie wichtig das Fest hier genommen wird und wie viel Mühe und Zeit alle Mitarbeiter investieren, um alles dafür vorzubereiten.
Wegen den Vorbereitungen für den Muttertag sind wir alle gerade sehr beschäftigt, aber es macht total viel Spaß. Letzte Woche zum Beispiel habe ich total schöne Tassen aus unserer Töpferei bemalt, herzförmige Kekse in der Bäckerei gebacken und mit Abed an ein paar richtig schönen Perlen für Ketten und Armbänder gearbeitet. All diese Dinge werden dann auf speziellen "Muttertagsbasaren" verkauft.
Aber leider ist letzte Woche auch was ziemlich Trauriges passiert. Majed, mein Arabischlehrer hat gekündigt und die Schule verlassen. Und das ziemlich plötzlich, er ist einfach so gegangen ohne sich zu Verabschieden. Das hat mich wirklich getroffen und beschäftigt, denn wir waren schon recht gut befreundet. Aber auch die anderen waren ziemlich überrascht und können es irgendwie immer noch nicht nachvollziehen. Jetzt ist der Distilling Workshop unbesetzt und seine Schüler müssen auf andere Klassen aufgeteilt werden. Und auch in der Residence bringt uns das ein paar Probleme, weil wir sowieso schon viel zu wenige männliche Betreuer haben.
Das hat mich etwas runter gezogen, muss ich sagen. Und dazu kommt noch, dass ich richtig heftige Probleme mit einer Schülerin habe. In der Schule gibt es ein Programm, das Schülern, die über 25 Jahre sind und eigentlich die Schule verlassen müssten, ermöglicht, trotzdem an der Schule zu bleiben und als Hilfskraft zu arbeiten wenn es keine andere Möglichkeit oder Arbeitsstelle gibt. Und eine dieser Schülerinnen, die nie irgendwo Arbeit finden könnte, ist Sami (Name ist geändert). Sami ist knapp 30 Jahre alt und bipolar. Das heißt, sie erlebt extreme Stimmungsschwankungen. Sie ist also nur sehr selten ausgeglichen, sondern entweder in ihrer depressiven oder manischen Phase. Dazu kommt, dass sie sehr impulsiv ist und schnell aggressiv wird. Sie hat schon mehrere Lehrer geschlagen, einfach weil sie sie nicht mochte. Sami lässt sich auch nichts sagen, sondern macht, was sie will. Und wenn sie nicht bekommt was sie will, fängt sie an zu schreien und zu schlagen. Und das Ding ist, dass sie ziemlich kräftig gebaut ist und wir ihr fast alle körperlich unterlegen sind. Egal was passiert, man darf sie also unter keinen Umständen wütend machen. Und glaubt mir, es ist fast unmöglich sie nicht wütend zu machen.
Sami wird jedenfalls in meiner Klasse als Assistentin eingesetzt. Das hat sie sich selber ausgesucht, denn sie liebt Sandra, meine Klassenlehrerin, über alles und will in ihrer Klasse arbeiten. Eigentlich sollte sie in der Bäckerei arbeiten, aber sie hat sich geweigert und so ihren Willen bekommen. Da Sandra nur selten in der Klasse ist und unterrichtet, ist Sami meistens bei mir. Und dummerweise hasst sie mich (in ihrer manischen Phase liebt sie mich manchmal auch, aber das ist eher selten). Der Grund für ihre Abneigung gegen mich ist, dass Sandra mich mag und ich die Schüler allein unterrichten darf. Sami, die ja selbst pflegebedürftig ist, kann natürlich nicht unterrichten. Und deshalb ist sie eifersüchtig und zeigt mir das bei jeder Gelegenheit. Ich habe schon einige Beschimpfungen, die ich hier lieber nicht wiederholen will, über mich ergehen lassen. Letzte Woche habe ich mich in einer anderen Klasse vor ihr versteckt, weil sie mich tatsächlich schlagen wollte. Und Mittwoch war ihr Hass gegen mich so groß, dass sie mich so laut angeschrien hat, dass unsere Direktorin es gehört hat und mir zu Hilfe geeilt ist. Zum Glück! Leider haben meine Schüler auch mitbekommen, dass es Probleme mit Sami gibt. Aber sie haben total cool reagiert. Mustafa zum Beispiel kam gleich zu mir um mich zu trösten. Er meinte: "Miss Laura, bitte sei nicht traurig wegen Sami. Sie ist manchmal zu allen böse."
Ich weiß, dass ich nicht die Einzige bin, die wegen Sami Ärger hat. Letzte Woche zum Beispiel wollte sie David auch verprügeln und er musste sich unter einem Tisch verstecken und ein paar Tage vorher hat sie eine andere Lehrerin ins Gesicht geschlagen. Einfach weil ihr nicht gepasst hat, wie die beiden unterrichtet haben. Und ich weiß auch, dass Samis Krankheit der Grund für ihre Gefühle ist. Aber das ändert nix daran, dass es schwer ist, das alles jeden Tag zu ertragen und trotz allem sehr nett und ruhig mit ihr umzugehen.
Fragt ihr Euch, warum sie noch in meiner Klasse ist und überhaupt in der Schule? Tja, das liegt daran, dass Samis Vater ziemlich reich ist. Sami sollte schon mal von der Schule genommen werden, es gab schon etliche Gespräche zwischen der Direktion und ihren Eltern. Denn sie stellt in gewisser Weise auch eine Gefahr für die Schüler da und Fista scheint auch nicht der richtige Platz für sie zu sein, denn wirklich helfen kann man ihr hier nicht, da sie die Pädagogen schlichtweg überfordert und eine Einzeltherapie mit ausgebildeten Psychologen benötigen würde. Aber ihr Vater hat den Boden bezahlt, auf dem die Schule gebaut ist und gibt auch sonst ordentlich Geld, deshalb muss die Schule Sami weiter als "Assistentin" behalten. Und selbst wenn man sie irgendwie aus meiner Klasse nehmen könnte und in einem Workshop arbeiten lassen würde, würde man das Problem nur an andere Lehrer weitergeben und nicht lösen. Vertrackte Situation. Und das zeigt auch, wie schwierig die Arbeit mit seelen-pflegebedürftigen Menschen sein kann.
Jetzt ist zum Glück erstmal Wochenende und ich arbeite nur mit Dania. Sie hat richtig gute Laune, von daher ist das wirklich schön. Und am Montag schaue ich dann mal, wie es mit Sami weiter geht.
Bevor ich aufhöre, wollte ich noch ein was richtig cooles erzählen: Gestern war "Tag der Lehrer" und deshalb hatten wir schulfrei. Ich habe sogar kleine Geschenke von einigen Schülern bekommen! Eine Schülerin hat mir wunderschöne, handgemachte und blaugemusterte Perlenohrringe geschenkt. Abed und ich sind total neidisch, weil wir solche krassen Perlen nicht hinbekommen ;) Aber es kommt noch besser: Am Abend gab es für uns Lehrer eine richtig große Feier mit 3-Gänge-Menü in einem Hotel am Meer. Purer Luxus und das alles kostenlos. :)  Nur leider gab es Fisch und ich esse keinen Fisch. Nie und unter keinen Umständen, schmeckt mir gar nicht und riecht eklig, finde ich. Aber die Vorspeise und das Dessert waren köstlich (Salat mit zartem Truthahnfleisch und Schoko-Krokant-Kuchen). Hmm :)
Hier noch die Bilder des gestrigen Abends:





Siham und ich mit Majed, einem Fahrer der Schule. 

Links Dr. Reem Mouawad und rechts Ruby, die Sekretärin der Schule.
Am Mittwoch hat Reem ihren Doktortitel erhalten und wir sind alle stolz auf sie!
Sie leitet die Schule gemeinsam mit Dr. Wali Merhej, ihrer Mutter.

Und hier noch ein paar Bilder aus unserem Alltag:


Mit Yousuf übe ich gerade das Arbeiten am Computer. Aufgrund seiner Muskelschwäche kann er nur sehr schwer und auch nur mit Hilfe schreiben. Das Tippen macht sich für ihn viel besser.
Ich kann gar nicht in Worten ausdrücken, was der kleine Junge mir mittlerweile bedeutet. An harten Tagen schafft er es immer, mich wieder aufzuheitern. :) 




Die Schüler in der Residence lieben es, wenn wir Quatsch mit ihnen machen. Wenn wir uns alle gegenseitig  bemalen, sind sie einfach nur glücklich. Besonders Mouhib liebt all die bunten Farben.