Mittwoch, 31. Oktober 2012

Das islamische Opferfest, Byblos & komische Krächzlaute

So, die Überschrift in diesem Post ist auf jeden Fall richtig, das habe ich 5x kontrolliert nachdem ich im letzten Post aus Versehen "Alttag" statt "Alltag" geschrieben habe, peinlich peinlich ;)
Die letzten Tage waren alle ziemlich vollgestopft, aber auch richtig schön, mittlerweile dürfen wir nämlich wieder raus, weil sich die Lage ziemlich beruhigt hat. Hier scheint alles normal und beim Alten zu sein, der Anschlag wird nur noch recht selten erwähnt. 
Letztes Wochenende wurde hier von Freitag bis Sonntag Eid al-Adha (Opferfest). gefeiert. Das Opferfest ist eines der wichtigsten Feste im Islam und erinnert an den Propheten Ibrahim und seinen Sohn Ismail. Ibrahim hat Ismail unendlich doll geliebt, aber am wichtigsten war für ihn immer noch sein Gott, Allah. Und um Ibrahims Gottesliebe zu testen und diese dem Rest der Menschheit zu beweisen, gab Allah Ibrahim eines Nachts den Befehl, seinen Sohn Ismail zu opfern. Am nächsten Morgen nahm Ibrahim seinen Sohn beiseite, erzählte ihm von Gottes Befehl und fragte ihn, was er davon hielt. Und weil auch Ismail Gott mehr als alles andere liebte, stimmte er zu und folgte seinem Vater bis zu der Stelle, wo die Opferung stattfinden sollte. Für Ibrahim war das eine schwere Prüfung, wie sich sicher jeder vorstellen kann, der Kinder hat. Doch trotzdem zog er sein Messer. Und gerade in dem Moment wurde das Messer stumpf und Ibrahim und Ismail erblickten in einem nahen Gebüsch ein Schaf. So zeigte Gott Ibrahim, dass sein Vertrauen bewiesen war und er anstelle seines Sohnes das Schaf schlachten und opfern sollte. 
Sicher erkennen viele von euch die Geschichte, oder? Die findet man nämlich fast genauso auch in der Bibel. Für Muslime hat sie aber auch eine ganz große Bedeutung, denn sie zeigt auf, was Opfern im Islam bedeutet. Für Muslime heißt opfern, man verzichtet um Allahs Willen auf etwas, was man liebt. Und genau das wird ja in der Geschichte durch Ibrahims und Ismails Opferbereitschaft deutlich.
Dieses Wochenende sind also die meisten hier an der Schule zu ihren Familien gefahren und haben mit ihnen Adha gefeiert. Und ich...tja, ich hatte Schicht, bin dageblieben und habe auf Daniah aufgepasst. Daniah kommt aus Saudi-Arabien, hat keine Familie im Libanon und ist deshalb auch an der Schule geblieben. Ich bin ziemlich froh, dass ich dieses Wochenende arbeiten musste, denn mit nur einer Schülerin war es wirklich schön und entspannt. Wir haben Kuchen gebacken, gekocht, waren spazieren, haben Karten gespielt etc. Aber der Höhepunkt des Wochenendes war Sonntag. Da sind die wenigen Leute, die nicht nach Hause konnten, wie zum Beispiel wir Freiwilligen, Daniah, der Hausmeister und die Köchinnen nach Jbail (Byblos) gefahren. Jbail ist eine wunderschöne, ziemlich geschichtsträchtige Hafenstadt nördlich von Beirut. 
Der Begriff "Bibel" stammt übrigens vom Namen dieser Stadt ab. Zwischen 300 und 500 v.Chr. war Byblos der Haupthandelsort für ägyptisches Papyrus. Und weil die Stadt so bedeutend für den Handel mit Papyrus war, benannten die Griechen das Papier nach der Stadt. In Anlehnung an "Byblos" führten sie das Wort "Bibel" ein, was so viel wie Schriftrolle bedeutet. 
Heute zählt Byblos zum UNESCO-Weltkulturerbe, was auch berechtigt ist, wenn man sieht, was man dort alles besichtigen kann! Zum Beispiel kann man die Grundmauern von 2 Tempeln aus dem 3 Jahrtausend(!!) v. Chr. erkunden. Außerdem gibt es einen beeindruckenden Obeliskentempel, der ca. 1900 v.Chr. auf den Schutt eines älteren Tempels gebaut wurde. Auch aus dem 3. Jahrtausend vor Christus erhalten ist das frühbronzezeitliche Stadttor, an das sich die etwas jüngere Stadtmauer anschließt. Bei Ausgrabungen wurden außerdem Mauern von bronzezeitlichen Häusern sowie ein Königsfriedhof mit immens vielen Goldschätzen freigelegt (die Schätze sind heute nicht mehr in Byblos, sondern im Nationalmuseum in Beirut zu finden). Man findet in Byblos wirklich an jeder Ecke Sehenswürdigkeiten, viel zu viele, um alle aufzuzählen. Aber was mir besonders gut gefallen hat, war eine Säulenstraße von ca. 300 n. Chr. 
Leider habe ich keine Fotos von Byblos, weil der Akku meiner Kamera leer ist, ich in meiner Verpeiltheit das Ladegerät in Deutschland vergessen habe und die Post hier so langsam ist, dass das Päckchen mit dem Ladegerät noch nicht angekommen ist. Aber nach Byblos fahre ich sicher noch öfter, so toll ist es dort. Und das nächste Mal komme ich mit Hunderten von Fotos zurück! Ich glaube, spätestens in Byblos habe ich mich so richtig in das Land verliebt. All die alten Gassen mit den vielen kleinen  und typisch libanesischen Ramsch- und Antiquitätenläden, durch die man so schön spazieren kann, die Tempelruinen und der Blick auf das tiefblaue Meer dort haben mich voll verzaubert. Da kam total Urlaubsstimmung auf. Aber das Beste ist, dass der Ausflug als Arbeitszeit gilt, weil ich ja mit Daniah unterwegs und für sie verantwortlich war. So macht Arbeiten Spaß :) 
Seit letztem Montag gibt mir einer der Lehrer hier jetzt auch Arabischunterricht und der hat es tatsächlich in sich. Jeden Abend von kurz nach 10 bis kurz vor 12 pauken wir fleißig Vokabeln, üben die Aussprache (die mich tagtäglich in den Wahnsinn treibt! Es gibt hier Laute, die krieg ich einfach nicht auf die Reihe..."chchhhkrchzaeouchkrzchrr"...meine armen Stimmbänder...) und lesen und schreiben sogar! Und das alles zum Teil auch noch auf Hocharabisch, damit ich nicht nur Libanesisch lerne. Und es gibt in der Zeit ein totales Englisch-sprechen-Verbot. Selbst wenn ich ein Wort nicht verstehe, übersetzt Majed es mir nicht ins Englische, sondern erklärt es mir irgendwie mit den Wörtern die ich schon kann oder gibt mir als Hausaufgabe, die Bedeutung selbst herauszufinden. Das ist manchmal schon bisschen hart, aber so lerne ich es immerhin. Trotzdem fällt mir Arabisch wirklich schwer, so 'n richtiges Gefühl für die Sprache habe ich noch nicht. Und oft bin ich auch frustriert weil ich sooo langsam lerne und das Gefühl habe, gar nicht vorwärts zu kommen was das Sprechen angeht. Aber ich bin auch bisschen stolz auf mich, weil ich mittlerweile alle Buchstaben entziffern und schreiben kann. Nur leider bedeutet das im Arabischen nicht gleich, dass man auch richtig lesen und schreiben kann. Im Arabischen schreibt man nämlich nicht wie bei uns alle Vokale mit, sondern ässt die Kurzgesprochenen aus. Und manchmal werden die Vokale auch nicht als einzelner Buchstabe, sondern als Zusatzzeichen geschrieben. Und dann kommt noch dazu, dass es im Arabischen zum Beispiel mehrere entsprechende Buchstaben für die deutschen Buchstaben "s" oder "t" gibt. Es gibt auch jeweils zwei Buchstaben für die Laute "a" und"k". Das alles verwirrt schon ziemlich und führt dazu, dass man ein Wort erst so richtig lesen und schreiben kann, wenn man es schon auswendig gelernt hat. Mal schauen, wie viel ich bis zum Ende des Jahres kann, ist ja noch ein bisschen Zeit :) 
Lasst es Euch gut gehen! :) 


Dienstag, 23. Oktober 2012

Der Alltag geht weiter, das Bangen aber auch...

Seit dem Anschlag sind nun fast 3 Tage vergangen und irgendwie beruhigt sich die Lage nicht wirklich, eher im Gegenteil. In Beirut gibt es nicht nur Demonstrationen, sondern richtige Straßenkämpfe. Am Wochenende kam es in der Innenstadt zu Feuergefechten zwischen der Armee und Demonstranten. Außerdem haben einige Demonstranten versucht, das Parlament zu stürmen. Dabei wurde wohl mindestens einer durch einen Scharfschützen der Armee niedergeschossen. Über ganz Beirut kann man Rauchwolken von brennenden Autoreifen aufsteigen sehen. Und einige hochrangige Politiker sollen wohl schon Morddrohungen bekommen haben, so nach dem Motto "Du bist der Nächste".
Trotzdem sind die Leute hier recht ruhig und erwarten, dass sich die Lage bald beruhigt. Ob sich die Erwartung erfüllt? Ich hoffe! Im Moment bangen wir nämlich wirklich darum, nicht zurück nach Deutschland zu müssen. Jeden Tag sollen wir uns jetzt bei unserer deutschen Entsendeorganisation melden um kurz zu berichten, wie es uns geht, wie die Lage ist etc. Aber im Moment dürfen wir noch bleiben, hier in der Schule sind wir ja auch sicher, so abgelegen liegt das Gelände. Erst, wenn die Botschaft eine Reisewarnung für den gesamten Libanon herausgibt (bisher gibt es nur unzählige Teilreisewarnungen, in denen einfach vor unnötigen Reisen in das Land abgeraten wird) oder angekündigt wird, Flughafen und Hafen auch abzuriegeln, wie so viele andere Teile Beiruts bisher, dann sind wir gezwungen, den Libanon so schnell wie möglich zu verlassen. Zum Glück ist es ja noch nicht so weit und ich hoffe, so weit wird es auch überhaupt nicht kommen. Mein Jahr hat doch gerade erst begonnen! Und je mehr ich mich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen versuche, dass ich den Freiwilligendienst vielleicht eventuell und unter Umständen abbrechen muss, desto mehr will ich irgendwie hier bleiben. Naja, wie auch immer, letztendlich habe ich keinen Einfluss darauf.
Trotz allem geht das Leben hier eigentlich ganz normal weiter. Und Sandra, meine Klassenlehrerin meinte auch zu mir: "Ach, wir sind das eigentlich schon bisschen gewöhnt. Jedes Jahr gibt es hier irgendwelche Unruhen. Klar, nicht in dem Ausmaß aber mach dir trotzdem nicht zu viele Gedanken". Der Unterricht findet statt, auch, wenn diese Woche nur die Hälfte der Schüler und Lehrer kommen. Die Hälfte, die zu Hause bleibt, macht das auch nicht aus Angst, sondern einfach, weil so viele Straßen gesperrt oder von Demonstranten blockiert sind, dass es gar keine Möglichkeit gibt, herzukommen. Eine andere Lehrerin hat auch etwas gesagt, was ich ziemlich treffend fand: "Das ist nun mal der Libanon. Heute ist alles gut, aber morgen schon kann alles anders sein."
Eine positive Nachricht habe ich trotzdem! Bisher habe ich ja nur ein Touristenvisa für das Land, das in wenigen Wochen abläuft. Nun musste ich mir also recht schnell ein richtiges Arbeitsvisum besorgen, was gar nicht so einfach war. Letzte Woche waren wir schon einmal auf der (vermeintlich) zuständigen Behörde, die dann irgendwie doch nicht zuständig war. Dann mussten wir nochmal quer durch Beirut und raus nach Jdeideh (östlich der Stadt) fahren, zu einer anderen Behörde, die dann wirklich zuständig war. Nur dummerweise haben uns da noch Papiere gefehlt. Die hat die Sekretärin der Schule jetzt für uns besorgt und daher ging es gestern nochmal nach Jdeideh. Alles super, bis auf die Tatsache, dass die mit meinen eingereichten Passbildern für das Visum nicht zufrieden waren. Die Bilder waren zwar nur ein Jahr alt, aber darauf hatte ich noch kurze Haare und angeblich hat man mich da nun gar nicht mehr drauf erkannt. Also musste ich nochmal los, neue Bilder machen. Aber dann war wirklich alles gut und alle nötigen Papiere da. Wir mussten nur noch ein recht interessantes Dokument unterschreiben: Der Inhalt war im Groben, dass wir uns verpflichten, nichts zu tun, was dem Libanon irgendwie schaden könnte. Außerdem dürfen wir keine Staaten und deren Symbole beleidigen oder scharf kritisieren. Aber das Interessante und auch etwas Erschreckende ist, dass danach noch der Vermerk kommt "Mit Ausnahme von Israel" (Gegen das Land dürfen wir also theoretisch wettern und hetzen wie wir wollen). Ich glaub, das zeigt, wie groß hier die allgemeine Ablehnung gegen Israel ist.
Wie auch immer, in 2 Wochen bekomme ich mein Visum in die Hand :) Bleibt nur noch zu hoffen, dass ich es dann überhaupt noch brauche...

Hier das Bild von dem Dokument, was wir unterzeichnen mussten. Und so noch ein paar Bilder von letzter Woche:





Meine übelst coole Klasse :) Nur ein Schüler fehlt leider auf dem Foto, er war krank. An dem Tag hatten wir Kuchenbasar. Als das Foto aufgenommen wurde, war ich noch unterwegs, mich um mein Visum kümmern.





Hier waren wir mal wieder - wer hätte es gedacht - in der Stadt und haben es uns gut gehen lassen :) 


Ich muss zugeben, dass Yousuf und ich da tatsächlich beide genauso unmotiviert waren, wie es auf dem Foto aussieht ;)


Freitag, 19. Oktober 2012

Bombenexplosion in Beirut

Wer heute die Nachrichten verfolgt hat, hat vielleicht von dem Bombenanschlag in Beirut gehört. In dem hauptsächlich christlichen Stadtteil Achrafieh, wo eher reichere Leute leben, ist heute eine Autobombe explodiert. Der Anschlag galt dem General Wissam Al-Hassan, dem Chef des libanesischen Inlandsgeheimdienstes, und ist auch "gelungen".
Als ich davon gehört hab, bin ich schon ganz schön erschrocken. Vor allen Dingen, weil der Stadtteil ganze 10km von uns entfernt ist und da auch eine Lehrerin der Schule lebt. Unser Töpferlehrer hatte auch richtig Glück. Nur eine Stunde vor dem Anschlag war er in Achrafieh um sich mit Freunden zu treffen. 
Aber keine Sorge, uns geht es allen gut. Es ist nur so traurig, dass unter den ganzen politischen Streitereien hier so viele Zivilisten leiden. 
Klar gibt es jetzt auch ganz viele Vermutungen darüber, wer verantwortlich für den Anschlag ist, aber bevor ich was falsches schreibe und unnötig verwirre, möchte ich da erstmal nicht mitspekulieren. Und ehrlich gesagt hoffe ich, dass überhaupt nicht rauskommt, wer die Bombe gezündet hat. Das würde nur für noch mehr Unruhe sorgen. Dann gäbe es nämlich ein neues potenzielles Anschlagsziel, denn man wöllte sich sicher rächen und das Morden würde weitergehen.
Trotz den Ereignissen heute sind die Leute hier wirklich erstaunlich ruhig. Wenn ich mir vorstelle, in Deutschland würde 10km von zu Hause ein Bombe explodieren, da würde sicher eine totale Panik ausbrechen. Hier an der Schule ist das alles zwar Gesprächsthema, klar, aber irgendwie sind alle total gefasst. Was halt nur frustrierend ist, ist, dass wir die nächsten Tage jetzt gar nicht mehr wegdürfen. Keinen einzigen Meter, nicht mal spazieren oder in den Supermarkt. Und dabei ist dieses Wochenende das Einzige im Monat, wo wir 3 deutschen Freiwilligen alle frei haben. Bis heute Morgen war unser ganzes noch Wochenende total verplant und ich habe mich so darauf gefreut. Naja, kann man nicht ändern. 
So, da wisst ihr jetzt Bescheid, dass es mir gut geht und macht euch hoffentlich keine Sorgen :) 

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Meine Schüler :)

So, endlich darf ich die Bilder von einigen meiner Schüler hochladen!  Es hat bisschen gedauert, weil wir noch auf die Erlaubnis der Eltern warten mussten. Ein richtiges Klassenfoto folgt bald hoffentlich auch noch :)
Hier sind die Schüler grad beim Töpfern.





Yousuf :) 


 Die beiden Mädels sind nicht in meiner Klasse, kommen aber jedes Mal, wenn ich Pausenaufsicht habe und sind einfach nur total süß.






Sonntag, 14. Oktober 2012

Guten Tag, Herr Offizier!


Wow… ich komme gerade aus Beirut und habe dort heute so einiges erlebt. Aber vor allem ist mir so richtig bewusst geworden, dass ich tatsächlich nicht irgendwo in Europa bin sondern im Libanon, einem arabischen Land. Sonst fällt einem  das gar nicht so krass auf. Hier gibt’s nämlich auch Mc Donald’s und Nutella, BMW und Audi sowie sonstige Marken die eher an Europa erinnern. Und ein ganz großer Teil der Bevölkerung trägt genau solche Sachen wie wir. Klar, gibt es viele verschleierte Frauen aber man sieht eben auch genauso viele Miniröcke. Das nur so nebenbei, um zu zeigen, dass hier nicht alles so typisch arabisch ist wie zum Beispiel in Ländern wie Saudi-Arabien oder so. Aber wie gesagt, trotz allem ist es ein arabisches Land und das hab ich heut stärker als in den Wochen zuvor gemerkt. David, Yuki (eine Studentin aus Japan, die letzte Woche angekommen ist und hier für 6 Wochen ein Praktikum macht) und ich sind heut zum ersten Mal ans Meer baden gefahren. Ich bin zwar schon über einen Monat hier, war auch schon öfter am Strand, aber so richtig ins Meer geschafft hab ich’s eben noch nicht. Heute war es dann soweit. Aber zunächst waren wir gut 1 ½ Stunden unterwegs, um überhaupt nach Al Manara –den öffentlichen Strand von Beirut- zu kommen. Weil es teuer ist, immer ein Taxi zu nehmen, sind wir mit Bussen und Services (Sammeltaxi) gefahren. Das war zwar echt cool und aufregend aber auch gar nicht so einfach. Wir können ja alle noch nicht wirklich viel Arabisch und so hat es manchmal gedauert, bis wir planlosen Deutschen begriffen hatten, welchen Bus wir nehmen müssen, wo wir aussteigen sollen und wie viel wir denn bezahlen. Von Ausländern verlangen die Fahrer hier nämlich gern auch mal ein bisschen mehr. Aber das Verhandeln haben wir gut drauf, wir sind es ja vom vielen Taxi fahren schon gewöhnt J Jedenfalls haben wir dann unterwegs halb Beirut gesehen, manchmal ganz schön übern den Fahrstil gezittert und waren dann nach 4 Mal Umsteigen endlich am Ziel, dem Strand. Nur dummerweise gab es zu dem Strand irgendwie gar keinen Eingang, da war überall ein Zaun davor. Aber in Beirut gibt’s ja an jeder Ecke einen  Polizisten und genau so einen haben wir gefragt. Der hat uns dann sehr freundlich erklärt, dass der Eingang zum Strand hunderte Meter weiter hinten liegt und man da wohl auch Eintritt zahlen muss. Aber ich glaube, er hat uns angesehen, dass wir keine Lust mehr hatten, noch weiter zu laufen und noch mehr Geld los zu werden. Und so hat er uns dann netterweise seine offizielle Erlaubnis gegeben, um einfach über den Zaun zu springen. Also die Polizei hier kann man wirklich „Freund und Helfer“ nennen. ;) Aber als wir nun endlich am Meer angekommen waren, habe ich erst mal einen kleinen Schreck bekommen. Da waren fast nur Männer und die Frauen, die da waren, sind alle voll verschleiert ins Wasser gegangen! Ich kam mir total blöd vor, hatte doch nur meinen Bikini eingepackt. Sollte ich mich da jetzt wirklich ausziehen? Am Ende ist das verboten, dachte ich, denn es trug ja keiner außer mir einen Bikini!? Aber mit Sachen schwimmen gehen wäre auch blöd gewesen, außerdem wollte ich mich ja sonnen! In meiner Verzweiflung habe ich dann schnell Sandra geschrieben. Sie hat mir zum Glück schnell geantwortet und erklärt, dass wir anscheinend an einem sehr konservativen Platz gelandet sind. Ich soll mir aber keine Sorgen machen, es ist auf keinen Fall verboten  nur im Bikini schwimmen zu gehen. Aber mit komischen Blicken sollte ich rechnen. Also hab ich mich dann überwunden und in meine Badesachen begeben. Und kaum stand ich da im Bikini, fühlte ich schon die ersten Blicke auf mir. Ehrlich, ich hab mich noch nie so beobachtet gefühlt. Die Männer am Strand haben nicht nur geschaut, die haben richtiggehend gestarrt. Und dann war ja auch noch Yuki dabei. Sie ist zwar nicht schwimmen gegangen und hatte auch gar keinen Bikini mit, aber war schon deshalb eine Attraktion, weil sie aus Japan kommt.
Ich hab mich dann einfach in die Sonne gelegt und versucht, die ganzen Blicke zu ignorieren. Nur als ich dann  ins Meer schwimmen gegangen bin, ging das mit dem „einfach ignorieren“ nicht mehr. Ich hatte das Gefühl, lebendige Schatten an meiner Seite zu haben. Bin ich ins Wasser gegangen, kamen mindestens  10 Männer auch ins Wasser. Bin ich gaaanz weit hinter geschwommen, kamen 10 Männer hinterher und bin ich zurück an den Strand gegangen, kamen 10 Männer mit. Die haben mich einfach verfolgt, nicht bedrohlich oder so, aber halt recht nervig. Und erst nach einer Stunde, die wir nun angestarrt und verfolgt wurden, hat sich der erste getraut, mal was zu sagen. Und da ging der Ansturm los. Alle wollten wissen, wo wir herkommen, was wir hier machen, wie lange wir bleiben und und und. Die waren wirklich freundlich und einfach nur neugierig, also keine Angst, nicht irgendwie schleimig, eklig oder aufdringlich. Und dann wollten auch noch alle ein Foto mit uns!! Wir sind jetzt wahrscheinlich auf 20 Bildern drauf und werden ganz stolz in der Gegend rumgezeigt als die Japanerin und die Deutsche, die ohne Sachen, nur im Bikini, schwimmen geht. Aber das eigentlich Krasse daran ist, dass die nicht Yuki und mich gefragt haben, ob sie ein Foto mit uns machen dürfen, sondern David! Die sind zu David hin und haben gefragt, ob er ihnen erlaubt, ein Foto mit uns zu bekommen!! David war halt der Mann an unserer Seite und im Islam ist das wohl so üblich, dass der Mann sowas entscheidet. Ich war voll perplex, aber naja, wenn es sie glücklich macht, sollen sie ihr Foto haben. Im Nachhinein ist die Reaktion der Leute am Strand auf uns schon recht lustig. J
Später ging es dann noch kurz in die Stadt, um Yuki die Rafiq-Hariri-Moschee und das Grab von Hariri zu zeigen. Aber als wir an der Moschee angekommen sind, war es irgendwie nicht so wie sonst. Der Märtyrerplatz, der davor liegt, war weitestgehend abgesperrt, es wurde ganz laut typisch libanesische Musik gespielt, und es waren selbst für libanesische Verhältnisse enorm viele Soldaten und Polizisten da. Selbst Panzer sind rumgefahren! Das hat unser Interesse geweckt und natürlich wollten wir wissen, was da los ist. Als wir näher gekommen sind, haben wir auch noch einen großen aufgestellten Bildschirm mit ganz vielen Stühlen davor gesehen. Aber in den Bereich, wo die Stühle aufgebaut waren, durften nur Männer. Wir haben auch mal nachgefragt und erfahren, dass dort eine politische Kundgebung inklusive Gebet von einem sehr bekannten aber umstrittenen Scheich stattfand. Die Kundgebung galt  den aktuellen Ereignissen in Syrien und wurde von Unterstützern der Rebellen durchgeführt. Und im Anschluss wurde dann eben für die Rebellen gebetet. Wir fanden das voll spannend und haben versucht, so viel wie möglich mitzubekommen und auch ein paar Leute dazu gefragt und so. Aber als wir dann gehen wollten, kam ein z
Offizier mit sehr ernster Miene auf uns zu. Und da dachte ich einfach nur „Bitte, bitte geh wieder weg“. Uns wurde nämlich ziemlich oft eingebläut, ja nicht mit dem Militär in Berührung zu kommen, weil das dann öfter mit ernsteren Konsequenzen zu tun hat. Es ist zum Beispiel auch strikt verboten, Soldaten, Polizisten oder alles andere, was in irgendeiner Weise mit Militär zu tun hat, zu fotografieren. Macht man es doch und wird erwischt, dann wird im besten Fall wohl nur die Kamera eingezogen.  Im schlimmsten Fall kann man verhaftet, verhört und je nach Ausgang des Verhörs festgehalten werden. Fotografiert man so etwas nämlich, rechnen die damit, dass mein ein „feindlicher“ Journalist oder, schlimmer noch, ein israelischer Spion ist. Man soll also bei so was vorsichtig sein und deshalb ist uns allen auch ganz schön das Herz in die Hose gerutscht, als der Offizier dann schließlich bei uns angekommen ist und eine Art kleines „Verhör“ begonnen hat. Er wollte alles wissen, wo wir her sind, was wir machen, warum wir bei dieser Kundgebung sind, ob wir Journalisten sind, ob wir fotografiert haben und noch einiges mehr. Und er hat die Fragen wieder und wieder wiederholt, so, als ob er uns nicht glauben würde. Und langsam habe ich wirklich bisschen Angst bekommen. Ich hätte meinen Pass auch gar nicht dabei gehabt, um mich im Zweifelsfall auszuweisen. Und theoretisch ist man hier dazu verpflichtet, den bei sich zu tragen. Naja, wie auch immer. Am Ende ist alles gut ausgegangen. Wir haben ihn davon überzeugt, dass wir ganz harmlose, neugierige Freiwillige sind, die nicht rumschnüffeln und erst recht keine Journalisten sind. Als er uns gehen gelassen hat, haben wir uns schnell aus dem Staub gemacht und vorgenommen, uns in Zukunft von allen politischen Sachen, so interessant sie auch sind, fern zu halten.
Der Rest der Woche war im Vergleich zu heute schon fast langweilig.  Hier ist mittlerweile ein richtiger Arbeitsalltag eingekehrt, was ich eigentlich ganz schön finde.
Mein Lieblingsschüler, Yousuf, hat die Woche versucht, mal ganz kreativ zu sein. Als ich einen Moment nicht hingeschaut habe, hat er die ganze Wand hinter sich mit Wachsmalstiften bemalt. Eigentlich fand ich das voll lustig, aber das darf er nun mal nicht und so haben wir dann zusammen die Wand geschrubbt. Achso, und ich habe diese Woche meine ersten eigenen Perlen hergestellt! Hier gibt es einen Glasworkshop, an dem ich mich Freitag zum ersten Mal so richtig probiert habe. Und das Resultat war gar nicht so schlecht. Mittlerweile habe ich schon 4 Glasperlen gemacht. Mein Ziel ist jetzt, Perlen herzustellen, die schön genug sind, um eine Kette daraus zu basteln. Bis Weihnachten möchte ich das schaffen!
So, jetzt hoffe ich, dass Ihr bei dem langen Text nicht eingeschlafen sein und wünsche Euch einen guten Start in die Woche! 


Im Klassenzimmer mit Maya. Maya war selber Schülerin an der Fista und hat letztes Jahr ihren Abschluss gemacht. Sie hilft mir in der Klasse, wenn Sandra nicht da ist und ich mag sie total gern! :) 



Da bin ich, wie mittlerweile so oft, mit anderen jungen Lehrern der Schule in einem Restaurant gewesen. Ich genieße es jedes Mal so sehr, rauszukommen und mal etwas anderes als die Schule zu erleben!


Samstag, 6. Oktober 2012

Wochenende, yeah! :)

Geschafft! Endlich Wochenende! Nach den 12 Tagen Arbeit bin ich wirklich froh, jetzt mal frei zu haben und bisschen entspannen zu können. Die letzte Woche war ich zwischenzeitlich nämlich ziemlich fertig. Anfang der Woche war ich ganz schön erkältet und irgendwie war meine Stimmung generell nicht so gut. Ich war kaputt von der vielen Arbeit, habe unter Schlafentzug gelitten und wollte einfach nur mal wieder 5 Minuten Ruhe haben und für mich allein sein, aber das geht hier nun mal nicht so richtig. Ich schätze mal, das war mein erstes kleines "Tief" hier. Aber mittlerweile ist alles wieder gut :) Mittwochabend haben mich 2 andere junge Lehrerinnen mit in eine Bar genommen um mal bisschen Abstand von der Schule zu gewinnen. Donnerstag habe ich mit Mutti, Vati und meinen Omas geskypt und Freitagabend waren wir dann hier in der Nähe in einem kleinen Café Shisha rauchen. Und so ging es dann wieder aufwärts mit mir und meiner Stimmung :) Heute haben Siham, Salma (eine Ägypterin, die hier für 6 Wochen Praktikum macht) und ich uns dann einen Mädelstag in Beirut gegönnt und sämtliche Schuhläden, die wir finden konnten, abgeklappert. Ich würde fast schwören, dass die hier die schönsten Schuhe im ganzen Nahen Osten haben. Natürlich konnte ich da nicht einfach nur dran vorbei gehen und so sind 3 Paar Sandalen in meinen Einkaufstüten gelandet ;) Aber keine Angst, pleite bin ich nicht, die haben hier nämlich nicht nur tolle Schuhe, sondern auch wirklich gute Preise!
Jetzt gleich werde ich mich noch an ein IEP (Individual Education Plan) für eine meiner Schülerinnen setzen. Darin muss ich beschreiben, wie ich sie im Unterricht erlebt habe, also z.B. wie sie sich in bestimmten Situationen verhält, wie ihr Umgang mit anderen ist etc. Und daraus soll ich dann ableiten, an welchen ihrer Gewohnheiten und Verhaltensmustern man noch arbeiten kann. Ich setze mir praktisch konkrete Ziele für die Arbeit mit ihr und lege fest, bis wann diese erreicht sein sollen. Dieses IEP soll dann während dem Jahr eine Art "Leitfaden" für meinen Umgang und den Unterricht mit ihr sein. So ein IEP muss jeder Lehrer am Anfang des Schuljahres für jeden seiner Schüler schreiben. Und da so ein IEP mindestens 10 Seiten lang ist, ist das schon eine ganz schöne Arbeit. Zum Glück muss ich nur eins schreiben, da ich ja nicht die Klassenlehrerin meiner Klasse bin.
Also dann, ich mach mich mal an die Arbeit! :)

Mädelsabend mit Sandra und Dalia :)
 Sandra ist die Klassenlehrerin meiner Klasse und ich bin jedes Mal voll beeindruckt, wenn ich sehe, wie gut sie mit den Schülern umgehen kann und wie sie die Klasse unter Kontrolle hat.




Hier noch ein Link zu einem Video, in dem Reem Mouawad etwas über FISTA erzählt. Reem ist die Tochter von Dr. "Doktora" Merhej, der Gründerin und Direktorin der Schule. Sie kümmert sich darum, dass hier alles (mal mehr und mal weniger) glatt läuft und ist sozusagen meine Chefin. Das Video ist zwar arabisch, aber vielleicht findet ihr ja jemanden zum Übersetzen oder ihr seid einfach neugierig und wollt nur sehen, für wen ich hier arbeite ;)
http://www.youtube.com/watch?v=JSa6r7lMyis&feature=share