Als ich vor ein
paar Tagen die Nachrichten gegoogelt habe, sind mir 2 Überschriften sofort ins
Auge gesprungen: „Syrien-Krieg hat den Libanon längst erreicht“ (Tagesanzeiger)
und „Die Hisbollah macht den Libanon zum Schlachtfeld“ (Welt). Als ich diese
und noch weitere Schlagzeilen deutscher Zeitungen gelesen habe, war ich ziemlich
erschrocken. Denn es stellt die momentane Lage im Libanon recht dramatisch dar.
Diese Überschriften klingen, als hätte der syrische Bürgerkrieg schon längst
übergegriffen und als wäre nun der ganze Libanon betroffen und destabilisiert.
Ich versuche jetzt
mal, euch meine Sichtweise und mein Erleben der Situation hier zu schildern. Klar
kann ich das auch nur subjektiv machen und nicht den Anspruch erheben, dass meine
Einschätzung die Richtige ist. Aber ich kann immerhin behaupten, dass ich mich
auch in dem Land aufhalte, über das ich schreibe und damit näher am Geschehen
dran bin als einige der Journalisten, die von Europa und Amerika aus berichten
und damit auch ein bisschen ihrer Fantasie in ihre Artikel einfließen lassen,
anstatt bloß die Fakten zu nennen.
Sicher wisst ihr,
dass am Sonntagmorgen um 6 Uhr 2 Raketen in Beirut eingeschlagen sind. Dabei
ist niemand gestorben, aber 5 Menschen wurden verletzt. Dieser Anschlag gilt
als Reaktion auf eine Rede die Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der
Hizbollah, am Samstagabend gehalten hatte. In dieser Rede hat er sich nicht nur
öffentlich dazu bekannt, dass die Hizbollah in Syrien an der Seite des
Assad-Regimes mitkämpft, sondern Assad auch die volle Unterstützung der
Hizbollah bis zum Ende garantiert. Des Weiteren hat er Assad zugesichert, dass
er nicht stürzen werde. Als Antwort darauf wurden dann Raketen als "Gruß" in ein
Beiruter Viertel gesendet, in dem hauptsächlich Schiiten wohnen. Niemand hat
sich offiziell zu dem Anschlag bekannt, aber man kann davon ausgehen, dass er
von syrischen Rebellen oder zumindest Gegnern des Assad-Regimes begangen wurde.
Kurz nach dem Anschlag hat Idriss, der Führer der Rebellengruppe „Freie
Syrische Armee“
(FSA) die Hizbollah dazu aufgefordert, ihre Kämpfer sofort aus Syrien zurückzuziehen, sonst würden
weitere Angriffe auf die Hizbollah im Libanon folgen. Heute Morgen hat mir außerdem eine
Kollegin erzählt, dass im libanesischen Sender MTV gestern bekannt gegeben wurde, dass in 3 Tagen weitere Angriffe auf die Hizbollah geplant seien. Diese sollen natürlich hauptsächlich in Gebieten
stattfinden, wo Schiiten leben und die Hizbollah Einfluss hat. Das wären dann die Hochebene Bekaa im Nordosten des Landes, das hauptsächlich schiitische Viertel Dahiye in Beirut, in dem regelmäßig Ansprachen Nasrallahs in einem riesen Saal übertragen werden und große Teile im Süden des Landes.
(FSA) die Hizbollah dazu aufgefordert, ihre Kämpfer sofort aus Syrien zurückzuziehen, sonst würden
weitere Angriffe auf die Hizbollah im Libanon folgen. Heute Morgen hat mir außerdem eine
Kollegin erzählt, dass im libanesischen Sender MTV gestern bekannt gegeben wurde, dass in 3 Tagen weitere Angriffe auf die Hizbollah geplant seien. Diese sollen natürlich hauptsächlich in Gebieten
stattfinden, wo Schiiten leben und die Hizbollah Einfluss hat. Das wären dann die Hochebene Bekaa im Nordosten des Landes, das hauptsächlich schiitische Viertel Dahiye in Beirut, in dem regelmäßig Ansprachen Nasrallahs in einem riesen Saal übertragen werden und große Teile im Süden des Landes.
Und trotz allem
muss man sagen, dass die Leute hier das alles noch recht entspannt sehen und
einfach ruhig abwarten, was in den nächsten Wochen passiert. Nach den
Raketenangriffen gab es keine bedeutenden Aufstände, Demonstrationen oder
Kämpfe, es hat sich alles sehr schnell beruhigt. Im Moment wird tatsächlich nur
in Tripoli gekämpft. Und Tripoli kann man in gewisser Weise als Ausnahme sehen,
denn nur dort leben Alawiten. Auch die Assad-Regierung ist alawitisch, von
daher ist dort die Kluft zwischen Unterstützern und Gegnern des syrischen
Regimes noch größer und das Konfliktpotential stärker.
Zusammenfassend kann
man sicher behaupten, dass der Libanon gerade vor einer Zerreißprobe steht und
es langsam ein bisschen „ungemütlicher“ und angespannter wird. All die syrischen
Flüchtlinge,
die vielen toten Hizbollah-Kämpfer, die jeden Tag bestattet werden und die Zersplitterung der
Parteien und Konfessionen untereinander machen die Sache noch schwieriger. Und an dieser Stelle finde ich es wirklich wichtig zu erwähnen, wie sehr sich die politischen Führer des Landes bemühen, den Frieden zu bewahren. Es gibt in diesem Land 18 unterschiedliche Konfessionen und all die verschiedenen politischen Lager sind extrem gespalten bis verfeindet. Ich denke, da kann man sich vorstellen, wie schwierig es ist, ein gewisses Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Ich glaube kaum, dass ein europäisches Land in der Lage wäre, die innen- und außenpolitischen Herausforderungen, vielmehr Probleme, zu bewältigen.
die vielen toten Hizbollah-Kämpfer, die jeden Tag bestattet werden und die Zersplitterung der
Parteien und Konfessionen untereinander machen die Sache noch schwieriger. Und an dieser Stelle finde ich es wirklich wichtig zu erwähnen, wie sehr sich die politischen Führer des Landes bemühen, den Frieden zu bewahren. Es gibt in diesem Land 18 unterschiedliche Konfessionen und all die verschiedenen politischen Lager sind extrem gespalten bis verfeindet. Ich denke, da kann man sich vorstellen, wie schwierig es ist, ein gewisses Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Ich glaube kaum, dass ein europäisches Land in der Lage wäre, die innen- und außenpolitischen Herausforderungen, vielmehr Probleme, zu bewältigen.
Dass der
Bürgerkrieg aus Syrien bisher noch nicht hier übergegriffen hat, verdankt das
Land einem gemeinsamen Ziel, dass alle hier teilen: Man will keinen
Krieg. Der Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 und der Krieg mit Israel im Sommer
2006 haben ihre Spuren hinterlassen und die Menschen sind kaputt und müde von
all den Kämpfen. Niemand will davon eine Wiederholung.
Jetzt können wir
nur abwarten, ob die Bemühungen Erfolg zeigen oder ob der fragile Frieden nun
doch durch den syrischen Bürgerkrieg und die damit verbundenen Ereignisse
zerbricht. Aber ich fühle mich hier auf jeden Fall noch sicher.
Eins möchte ich
noch loswerden, da ich im Internet ein bisschen über die Diskussion gelesen habe,
ob man nun Waffen an syrische Rebellen liefern soll oder nicht. Wie können denn
westliche Politiker das Eingreifen der Hizbollah in Syrien verurteilen und
gleichzeitig ihr eigenes Einmischen durch Waffenlieferungen an Rebellen
rechtfertigen? Wie können sie denn vorhersehen, dass die jetzigen syrischen
Rebellen nach Assads Sturz in der Lage sein werden, dass Land gut zu regieren
und Menschenrechte nicht mit Füßen zu treten? Man sollte bedenken, dass unter
den syrischen Rebellen al-Qaida und al-Nusra-Mitglieder, Salafisten und Extremisten kämpfen,
die der Westen doch sonst gar nicht gern hat. Die Waffen, die der Westen
eventuell liefern wird, werden Menschen verletzen und töten. Und woher nimmt
man das Recht, über Leben und Tod eines anderen Menschen zu entscheiden?
Man kann doch
nicht einerseits die syrischen Kämpfe, all das Morden und Töten verurteilen und
es dann selbst fördern. Falls der Westen nun auch offiziell in Syrien
eingreift, dann sicher nicht aus purer Nächstenliebe und um das Leiden der
Menschen dort zu beenden. Sondern schlicht und einfach um politische Interessen
zu wahren.