Sonntag, 3. Februar 2013

Schlittschuhlaufen in den 4 Jahreszeiten

Gestern hatte ich eine sehr angeregte Diskussion mit einem libanesischen Freund, und zwar darüber, ob es im Libanon 4 Jahreszeiten gibt. Ich war bisher fest davon überzeugt, dass das gar nicht sein kann. Denn im Moment befinden wir uns zum Beispiel offiziell im Winter, und trotzdem sitze ich mit Sonnenbrille auf der Terrasse, lass die Sonne auf mich scheinen und genieße das total. So kann doch der Winter nicht sein, oder?
Und trotzdem sind die Libanesen überzeugt, 4 Jahreszeiten zu haben. Ich habe die laut meinem libanesischen Freund einfach nur noch nicht entdeckt, weil ich so auf meine bisherigen Vorstellungen fixiert war. Laut meinem Weltbild muss es im Winter kalt und eisig sein, im Frühling wird es langsam wärmer und die Blumen kommen raus, im Sommer ist es schön warm und sonnig und im Herbst fallen die Blätter von den Bäumen und es ist windig. Und weil das hier eben nicht genau so ist wie bei uns, bin ich der Meinung, es gäbe hier nur 2 Jahreszeiten. Weil es hier von April bis September warm bis heiß ist, habe ich diese gesamte Zeit als Sommer eingeordnet. Und die bisschen kältere regnerische Zeit von Oktober bis März ist für mich so 'ne Art Frühling oder Herbst. Ich bin also wirklich überzeugt, hier gibt es nur 2 Jahreszeiten. Gestern habe ich mir aber erklären lassen, dass ich da falsch liege. Winter bedeutet hier, dass es frisch ist, öfter regnet und in den hohen Bergen auch schneit. Im Frühling wird es dann warm, während es im Sommer heiß ist. Und im Herbst ist es noch immer recht warm, aber schon windiger. Das sind die 4 libanesischen Jahreszeiten. Ich glaube immer noch an nur 2 Jahreszeiten. Aber ich versteh auch die Einteilung der Libanesen. Mein libanesischer Freund hat mir gezeigt, dass es im Libanon doch auch Unterschiede zwischen den Jahreszeiten gibt, also ist auch hier die Einteilung in 4 Jahreszeiten legitim.
Vielleicht fragt ihr Euch jetzt, warum ich sowas belangloses schreibe. Ich mein, ob es nun 4 oder 2 Jahreszeiten sind, ist nicht unbedingt wichtig und die bloße Einteilung in Jahreszeiten ändert gar nichts, weder an dem Wetter noch an irgendetwas anderem. Vielleicht denkt ihr auch ich hab 'nen Sprung in der Schüssel, dass ich mir wegen sowas überhaupt Gedanken mach. Aber ich habe dadurch ein bisschen mehr verstanden, dass verschiedene Menschen auch unterschiedliche Erfahrungen machen und nicht immer unbedingt eine Vorstellung richtig ist. Können 2 verschiedene Vorstellungen nicht trotzdem auch beide zur gleichen Zeit richtig sein? Es kommt auf den Ausgangspunkt und den Betrachtungswinkel an. Das Beispiel mit den Jahreszeiten ist sicher auch auf andere Dinge übertragbar. Zum Beispiel auf Religion. Nur mal so nebenbei.

Und wenn wir schon mal bei Wind und Wetter sind: Die Woche war ich mit meiner Klasse ganz winterlich Schlittschuhlaufen, trotz knapp 20°C Außentemperatur. Wir waren in der einzigen Eishalle im ganzen Libanon und es war wirklich ein einmaliges Erlebnis. Unter anderem deshalb, weil kein einziger meiner Schüler schon mal Eislaufen war. Und obwohl wir 3 Lehrer für nur 10 Schüler waren, hatten wir alle Hände voll zu tun. Die Schüler waren so aufgeregt, und zwischenzeitlich leider auch ein bisschen am Verzweifeln. Ich glaube, jeder ist mindestens 5 Mal hingefallen, aber keine Angst, an Knie- und Ellbogenschützer haben wirr gedacht und niemand hat sich ernsthaft verletzt. Meine sonst so coolen Jungs sind auf einmal recht kleinlaut geworden und haben sich sehr gern helfen lassen. Einige wollten auch gleich zu Anfang aufgeben. Deshalb haben Sandra und ich schon darüber nachgedacht, "Schlittschulaufen" als Strafe für richtig schlimmes Benehmen, wie zum Beispiel Schlagen oder Beschimpfen, einzuführen. ;) Hat aber doch nicht funktioniert, weil wir die Schüler dazu überreden konnten, nicht aufzugeben sondern weiterzuüben. Und so wurden alle immer sicherer auf den Schlittschuhen und wir hatten am Ende richtig viel Spaß.


 Entgegen aller Erwartungen hat sich selbst Yousuf aufs Eis getraut! Und auch wenn er nicht allein auf den Schlittschuhen stehen konnte, sondern mehr gehalten werden musste, bin ich voll stolz auf ihn!
...in einem unbeobachteten Moment hat er sich sogar allein und ohne Schlittschuhe auf's Eis getraut ;) 



Mustafa überrascht mich immer wieder auf's neue. Sonst der coole Typ, dem die Schule total egal ist, der seine gesamte Freizeit für die Playstation opfert und wohl schon ein paar Tische und Stühle kaputt geschlagen hat (früher soll Mustafa richtig aggressiv gewesen sein, mittlerweile hat er seine Aggressionen  mit Hilfe von Therapie und leider auch Medikamenten aber gut unter Kontrolle), wird auf dem Eis ganz kleinlaut und ist dankbar über jede Hilfe. Aber nicht nur das ist überraschend. Mustafa's Freunde sind sonst eher die Jungs aus den älteren Klassen, aber jetzt ratet mal, um wen er sich seit ein paar Wochen rührend kümmert und bei wem er unendlich lieb wird? Bei Yousuf :) Mustafa hat einen super Einfluss auf Yousuf, weil Yousuf so auch lernt, mit anderen Kindern zu interagieren und bisschen offener zu werden. und Yousuf macht Mustafa zu einem richtig lieben, hilfsbereiten Jungen. 

Auf dem Eis ist es gar nicht so einfach, sich schön für ein Foto hinzustellen ;)

2 Eisprinzessinnen :) 


Meine neue Lieblingsbeschäftigung: Perlen herstellen im Glasworkshop. Es macht so viel Spaß und das Gefühl, die fertige, selbst hergestellte und hoffentlich schöne Perle in der Hand zu halten ist toll! Letzte Woche habe ich bei der Direktion gefragt, ob ich neben der Arbeit in der Klasse und der Residence auch in dem Workshop helfen darf, um ein bisschen Abwechslung zu haben und auch praktisch arbeiten zu können. Abed, der Workshoplehrer, und ich, fänden es beide voll cool. Drückt uns die Daumen, dass es genehmigt wird! 

Lieber Chris, wenn du das in Deutschland liest, dann grüßen wir 3 Dich ganz doll! Es waren 4 richtig schöne Wochen und du warst bisher wirklich der erste Praktikant, der uns allen  an der FISTA so ans Herz gewachsen ist. Pass auf dich auf  ;) 

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