Dienstag, 23. Oktober 2012

Der Alltag geht weiter, das Bangen aber auch...

Seit dem Anschlag sind nun fast 3 Tage vergangen und irgendwie beruhigt sich die Lage nicht wirklich, eher im Gegenteil. In Beirut gibt es nicht nur Demonstrationen, sondern richtige Straßenkämpfe. Am Wochenende kam es in der Innenstadt zu Feuergefechten zwischen der Armee und Demonstranten. Außerdem haben einige Demonstranten versucht, das Parlament zu stürmen. Dabei wurde wohl mindestens einer durch einen Scharfschützen der Armee niedergeschossen. Über ganz Beirut kann man Rauchwolken von brennenden Autoreifen aufsteigen sehen. Und einige hochrangige Politiker sollen wohl schon Morddrohungen bekommen haben, so nach dem Motto "Du bist der Nächste".
Trotzdem sind die Leute hier recht ruhig und erwarten, dass sich die Lage bald beruhigt. Ob sich die Erwartung erfüllt? Ich hoffe! Im Moment bangen wir nämlich wirklich darum, nicht zurück nach Deutschland zu müssen. Jeden Tag sollen wir uns jetzt bei unserer deutschen Entsendeorganisation melden um kurz zu berichten, wie es uns geht, wie die Lage ist etc. Aber im Moment dürfen wir noch bleiben, hier in der Schule sind wir ja auch sicher, so abgelegen liegt das Gelände. Erst, wenn die Botschaft eine Reisewarnung für den gesamten Libanon herausgibt (bisher gibt es nur unzählige Teilreisewarnungen, in denen einfach vor unnötigen Reisen in das Land abgeraten wird) oder angekündigt wird, Flughafen und Hafen auch abzuriegeln, wie so viele andere Teile Beiruts bisher, dann sind wir gezwungen, den Libanon so schnell wie möglich zu verlassen. Zum Glück ist es ja noch nicht so weit und ich hoffe, so weit wird es auch überhaupt nicht kommen. Mein Jahr hat doch gerade erst begonnen! Und je mehr ich mich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen versuche, dass ich den Freiwilligendienst vielleicht eventuell und unter Umständen abbrechen muss, desto mehr will ich irgendwie hier bleiben. Naja, wie auch immer, letztendlich habe ich keinen Einfluss darauf.
Trotz allem geht das Leben hier eigentlich ganz normal weiter. Und Sandra, meine Klassenlehrerin meinte auch zu mir: "Ach, wir sind das eigentlich schon bisschen gewöhnt. Jedes Jahr gibt es hier irgendwelche Unruhen. Klar, nicht in dem Ausmaß aber mach dir trotzdem nicht zu viele Gedanken". Der Unterricht findet statt, auch, wenn diese Woche nur die Hälfte der Schüler und Lehrer kommen. Die Hälfte, die zu Hause bleibt, macht das auch nicht aus Angst, sondern einfach, weil so viele Straßen gesperrt oder von Demonstranten blockiert sind, dass es gar keine Möglichkeit gibt, herzukommen. Eine andere Lehrerin hat auch etwas gesagt, was ich ziemlich treffend fand: "Das ist nun mal der Libanon. Heute ist alles gut, aber morgen schon kann alles anders sein."
Eine positive Nachricht habe ich trotzdem! Bisher habe ich ja nur ein Touristenvisa für das Land, das in wenigen Wochen abläuft. Nun musste ich mir also recht schnell ein richtiges Arbeitsvisum besorgen, was gar nicht so einfach war. Letzte Woche waren wir schon einmal auf der (vermeintlich) zuständigen Behörde, die dann irgendwie doch nicht zuständig war. Dann mussten wir nochmal quer durch Beirut und raus nach Jdeideh (östlich der Stadt) fahren, zu einer anderen Behörde, die dann wirklich zuständig war. Nur dummerweise haben uns da noch Papiere gefehlt. Die hat die Sekretärin der Schule jetzt für uns besorgt und daher ging es gestern nochmal nach Jdeideh. Alles super, bis auf die Tatsache, dass die mit meinen eingereichten Passbildern für das Visum nicht zufrieden waren. Die Bilder waren zwar nur ein Jahr alt, aber darauf hatte ich noch kurze Haare und angeblich hat man mich da nun gar nicht mehr drauf erkannt. Also musste ich nochmal los, neue Bilder machen. Aber dann war wirklich alles gut und alle nötigen Papiere da. Wir mussten nur noch ein recht interessantes Dokument unterschreiben: Der Inhalt war im Groben, dass wir uns verpflichten, nichts zu tun, was dem Libanon irgendwie schaden könnte. Außerdem dürfen wir keine Staaten und deren Symbole beleidigen oder scharf kritisieren. Aber das Interessante und auch etwas Erschreckende ist, dass danach noch der Vermerk kommt "Mit Ausnahme von Israel" (Gegen das Land dürfen wir also theoretisch wettern und hetzen wie wir wollen). Ich glaub, das zeigt, wie groß hier die allgemeine Ablehnung gegen Israel ist.
Wie auch immer, in 2 Wochen bekomme ich mein Visum in die Hand :) Bleibt nur noch zu hoffen, dass ich es dann überhaupt noch brauche...

Hier das Bild von dem Dokument, was wir unterzeichnen mussten. Und so noch ein paar Bilder von letzter Woche:





Meine übelst coole Klasse :) Nur ein Schüler fehlt leider auf dem Foto, er war krank. An dem Tag hatten wir Kuchenbasar. Als das Foto aufgenommen wurde, war ich noch unterwegs, mich um mein Visum kümmern.





Hier waren wir mal wieder - wer hätte es gedacht - in der Stadt und haben es uns gut gehen lassen :) 


Ich muss zugeben, dass Yousuf und ich da tatsächlich beide genauso unmotiviert waren, wie es auf dem Foto aussieht ;)


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