Wow… ich komme gerade aus Beirut und habe dort heute so
einiges erlebt. Aber vor allem ist mir so richtig bewusst geworden, dass ich
tatsächlich nicht irgendwo in Europa bin sondern im Libanon, einem arabischen
Land. Sonst fällt einem das gar nicht so
krass auf. Hier gibt’s nämlich auch Mc Donald’s und Nutella, BMW und Audi sowie
sonstige Marken die eher an Europa erinnern. Und ein ganz großer Teil der
Bevölkerung trägt genau solche Sachen wie wir. Klar, gibt es viele
verschleierte Frauen aber man sieht eben auch genauso viele Miniröcke. Das nur
so nebenbei, um zu zeigen, dass hier nicht alles so typisch arabisch ist wie
zum Beispiel in Ländern wie Saudi-Arabien oder so. Aber wie gesagt, trotz allem
ist es ein arabisches Land und das hab ich heut stärker als in den Wochen zuvor
gemerkt. David, Yuki (eine Studentin aus Japan, die letzte Woche angekommen ist
und hier für 6 Wochen ein Praktikum macht) und ich sind heut zum ersten Mal ans Meer
baden gefahren. Ich bin zwar schon über einen Monat hier, war auch schon öfter am
Strand, aber so richtig ins Meer geschafft hab ich’s eben noch nicht. Heute war
es dann soweit. Aber zunächst waren wir gut 1 ½ Stunden unterwegs, um überhaupt
nach Al Manara –den öffentlichen Strand von Beirut- zu kommen. Weil es teuer
ist, immer ein Taxi zu nehmen, sind wir mit Bussen und Services (Sammeltaxi)
gefahren. Das war zwar echt cool und aufregend aber auch gar nicht so einfach.
Wir können ja alle noch nicht wirklich viel Arabisch und so hat es manchmal
gedauert, bis wir planlosen Deutschen begriffen hatten, welchen Bus wir nehmen
müssen, wo wir aussteigen sollen und wie viel wir denn bezahlen. Von Ausländern
verlangen die Fahrer hier nämlich gern auch mal ein bisschen mehr. Aber das Verhandeln
haben wir gut drauf, wir sind es ja vom vielen Taxi fahren schon gewöhnt J Jedenfalls haben wir
dann unterwegs halb Beirut gesehen, manchmal ganz schön übern den
Fahrstil gezittert und waren dann nach 4 Mal Umsteigen endlich am Ziel, dem
Strand. Nur dummerweise gab es zu dem Strand irgendwie gar keinen Eingang, da
war überall ein Zaun davor. Aber in Beirut gibt’s ja an jeder Ecke einen Polizisten und genau so einen haben wir gefragt. Der hat uns dann sehr freundlich erklärt, dass der Eingang zum Strand hunderte
Meter weiter hinten liegt und man da wohl auch Eintritt zahlen muss. Aber ich
glaube, er hat uns angesehen, dass wir keine Lust mehr hatten, noch weiter zu
laufen und noch mehr Geld los zu werden. Und so hat er uns dann netterweise seine offizielle Erlaubnis gegeben, um einfach über den Zaun zu
springen. Also die Polizei hier kann man wirklich „Freund und Helfer“ nennen.
;) Aber als wir nun endlich am Meer angekommen waren, habe ich erst mal einen
kleinen Schreck bekommen. Da waren fast nur Männer und die Frauen, die da
waren, sind alle voll verschleiert ins Wasser gegangen! Ich kam mir total blöd vor, hatte doch nur
meinen Bikini eingepackt. Sollte ich mich da jetzt wirklich ausziehen? Am Ende
ist das verboten, dachte ich, denn es trug ja keiner außer mir einen Bikini!? Aber mit Sachen
schwimmen gehen wäre auch blöd gewesen, außerdem wollte ich mich ja sonnen! In meiner
Verzweiflung habe ich dann schnell Sandra geschrieben. Sie hat mir zum Glück
schnell geantwortet und erklärt, dass wir anscheinend an einem sehr
konservativen Platz gelandet sind. Ich soll mir aber keine Sorgen machen, es
ist auf keinen Fall verboten nur im
Bikini schwimmen zu gehen. Aber mit komischen Blicken sollte ich rechnen. Also
hab ich mich dann überwunden und in meine Badesachen begeben. Und kaum stand
ich da im Bikini, fühlte ich schon die ersten Blicke auf mir. Ehrlich, ich hab
mich noch nie so beobachtet gefühlt. Die Männer am Strand haben nicht nur
geschaut, die haben richtiggehend gestarrt. Und dann war ja auch noch Yuki
dabei. Sie ist zwar nicht schwimmen gegangen und hatte auch gar keinen Bikini
mit, aber war schon deshalb eine Attraktion, weil sie aus Japan kommt.
Ich hab mich dann einfach in die Sonne gelegt und versucht,
die ganzen Blicke zu ignorieren. Nur als ich dann ins Meer schwimmen gegangen bin, ging
das mit dem „einfach ignorieren“ nicht mehr. Ich hatte das Gefühl, lebendige
Schatten an meiner Seite zu haben. Bin ich ins Wasser gegangen, kamen
mindestens 10 Männer auch ins Wasser.
Bin ich gaaanz weit hinter geschwommen, kamen 10 Männer hinterher und bin ich
zurück an den Strand gegangen, kamen 10 Männer mit. Die haben mich einfach
verfolgt, nicht bedrohlich oder so, aber halt recht nervig. Und erst nach einer
Stunde, die wir nun angestarrt und verfolgt wurden, hat sich der erste getraut,
mal was zu sagen. Und da ging der Ansturm los. Alle wollten wissen, wo wir
herkommen, was wir hier machen, wie lange wir bleiben und und und. Die waren
wirklich freundlich und einfach nur neugierig, also keine Angst, nicht
irgendwie schleimig, eklig oder aufdringlich. Und dann wollten auch noch alle ein Foto
mit uns!! Wir sind jetzt wahrscheinlich auf 20 Bildern drauf und werden ganz stolz
in der Gegend rumgezeigt als die Japanerin und die Deutsche, die ohne Sachen, nur
im Bikini, schwimmen geht. Aber das eigentlich Krasse daran ist, dass die nicht Yuki und
mich gefragt haben, ob sie ein Foto mit uns machen dürfen, sondern David! Die
sind zu David hin und haben gefragt, ob er ihnen erlaubt, ein Foto mit uns zu
bekommen!! David war halt der Mann an unserer Seite und im Islam ist das wohl
so üblich, dass der Mann sowas entscheidet. Ich war voll perplex, aber naja,
wenn es sie glücklich macht, sollen sie ihr Foto haben. Im Nachhinein ist
die Reaktion der Leute am Strand auf uns schon recht lustig. J
Später ging es dann noch kurz in die Stadt, um Yuki die
Rafiq-Hariri-Moschee und das Grab von Hariri zu zeigen. Aber als wir an der
Moschee angekommen sind, war es irgendwie nicht so wie sonst. Der
Märtyrerplatz, der davor liegt, war weitestgehend abgesperrt, es wurde ganz
laut typisch libanesische Musik gespielt, und es waren selbst für libanesische
Verhältnisse enorm viele Soldaten und Polizisten da. Selbst Panzer sind
rumgefahren! Das hat unser Interesse geweckt und natürlich wollten wir wissen, was da los ist. Als wir näher gekommen sind, haben wir auch noch einen großen aufgestellten Bildschirm mit ganz vielen Stühlen davor gesehen.
Aber in den Bereich, wo die Stühle aufgebaut waren, durften nur Männer.
Wir haben auch mal nachgefragt und erfahren, dass dort eine politische
Kundgebung inklusive Gebet von einem sehr bekannten aber umstrittenen Scheich stattfand. Die Kundgebung galt den
aktuellen Ereignissen in Syrien und wurde von Unterstützern der Rebellen
durchgeführt. Und im Anschluss wurde dann eben für die Rebellen gebetet. Wir
fanden das voll spannend und haben versucht, so viel wie möglich
mitzubekommen und auch ein paar Leute dazu gefragt und so. Aber als wir dann
gehen wollten, kam ein z
Offizier mit sehr ernster Miene auf uns zu. Und da dachte ich einfach nur „Bitte,
bitte geh wieder weg“. Uns wurde nämlich ziemlich oft eingebläut, ja nicht mit
dem Militär in Berührung zu kommen, weil das dann öfter mit ernsteren Konsequenzen zu tun hat. Es ist zum Beispiel auch strikt verboten,
Soldaten, Polizisten oder alles andere, was in irgendeiner Weise mit Militär zu
tun hat, zu fotografieren. Macht man es doch und wird erwischt, dann wird im
besten Fall wohl nur die Kamera eingezogen.
Im schlimmsten Fall kann man verhaftet, verhört und je nach Ausgang des Verhörs festgehalten werden.
Fotografiert man so etwas nämlich, rechnen die damit, dass mein ein „feindlicher“
Journalist oder, schlimmer noch, ein israelischer Spion ist. Man soll also bei
so was vorsichtig sein und deshalb ist uns allen auch ganz schön das Herz in
die Hose gerutscht, als der Offizier dann schließlich bei uns angekommen ist
und eine Art kleines „Verhör“ begonnen hat. Er wollte alles wissen, wo wir her
sind, was wir machen, warum wir bei dieser Kundgebung sind, ob wir Journalisten
sind, ob wir fotografiert haben und noch einiges mehr. Und er hat die Fragen wieder und wieder
wiederholt, so, als ob er uns nicht glauben würde. Und langsam habe ich wirklich
bisschen Angst bekommen. Ich hätte meinen Pass auch gar nicht dabei gehabt, um
mich im Zweifelsfall auszuweisen. Und theoretisch ist man hier dazu
verpflichtet, den bei sich zu tragen. Naja, wie auch immer. Am Ende ist alles
gut ausgegangen. Wir haben ihn davon überzeugt, dass wir ganz harmlose,
neugierige Freiwillige sind, die nicht rumschnüffeln und erst recht keine
Journalisten sind. Als er uns gehen gelassen hat, haben wir uns schnell aus dem
Staub gemacht und vorgenommen, uns in Zukunft von allen politischen Sachen, so
interessant sie auch sind, fern zu halten.
Der Rest der Woche war im Vergleich zu heute schon fast
langweilig. Hier ist mittlerweile ein
richtiger Arbeitsalltag eingekehrt, was ich eigentlich ganz schön finde.
Mein Lieblingsschüler, Yousuf, hat die Woche versucht, mal ganz
kreativ zu sein. Als ich einen Moment nicht hingeschaut habe, hat er die
ganze Wand hinter sich mit Wachsmalstiften bemalt. Eigentlich fand ich das voll
lustig, aber das darf er nun mal nicht und so haben wir dann zusammen die Wand geschrubbt.
Achso, und ich habe diese Woche meine ersten eigenen Perlen hergestellt! Hier
gibt es einen Glasworkshop, an dem ich mich Freitag zum ersten Mal so richtig
probiert habe. Und das Resultat war gar nicht so schlecht. Mittlerweile habe
ich schon 4 Glasperlen gemacht. Mein Ziel ist jetzt, Perlen herzustellen, die
schön genug sind, um eine Kette daraus zu basteln. Bis Weihnachten möchte ich
das schaffen!
So, jetzt hoffe ich, dass Ihr bei dem langen Text nicht
eingeschlafen sein und wünsche Euch einen guten Start in die Woche!
Im Klassenzimmer mit Maya. Maya war selber Schülerin an der Fista und hat letztes Jahr ihren Abschluss gemacht. Sie hilft mir in der Klasse, wenn Sandra nicht da ist und ich mag sie total gern! :)
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